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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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nicht so“, wollte Nelli beschwichtigen.
    „Das bezog sich auf Sie. Was weiß er über die Story?“
    „Nichts.“
    „Und für welche Zeitung arbeitet er?“
    „Für gar keine. Er ist Student auf der Suche nach einem Praktikumsplatz.“
    Fiona Herolder schüttelte den Kopf und ließ ihre Zigarette fallen, ohne sie auszutreten.
    „Ihnen kann man anscheinend alles erzählen.“
    „Also jetzt hören Sie mal“, wollte Nelli ansetzen. Da fing das Glockenspiel des Münchner Rathauses an zu bimmeln, und sie schenkte sich ihre Antwort. Nelli nahm ihr Fahrrad vom Ständer, die beiden setzten sich in die Gegenrichtung des Rathauses in Bewegung und entflohen dem Krawall.
    „Und wohin wollen Sie nun, wenn schon nicht in die Redaktion?“, fragte Fiona Herolder, und es klang ziemlich spitz. Nelli schaute sie sich jetzt erst von oben bis unten an. Die Frau war um die dreißig, groß und schlank. Über dem dunklen Pferdeschwanz trug sie eine Bundeswehr-Heereskappe. Ihre hautengen Jeans waren über kniehohen schwarzen Stiefeln aufgekrempelt.
    „Wissen Sie was“, sagte Nelli. Ich hab mich nicht nur unprofessionell, sondern absolut unfair verhalten.“
    „Na ja“, meinte die Reporterin, „schon gut.“
    „Dieser Junge hat mich in seinem klapprigen, kleinen Auto samt meinen ganzen Sachen von Hof bis hierher kutschiert. Er hat mir sein Handy geborgt, hat... ach was, ohne ihn wäre letztlich dieser Termin bei Ihnen gar nicht möglich gewesen. Ich war so fixiert auf das Geld.“
    Fiona Herolder hatte ihre verschränkten Arme geöffnet, sinken lassen und begriff nicht recht, was los war. Mit einem Schlag fühlte Nelli sich scheußlich. Sie konnte nicht anders, sie wendete grußlos ihr Fahrrad, schwang sich auf den Sattel und trat stehend in die Pedale. Passanten sprangen zur Seite und schimpften hinter ihr her.
    Sie hatten das Glück gehabt, einen Parkplatz in einer Seitenstraße nicht mal 100 Meter östlich des Marienplatzes zu finden. Wenn Rolf nicht gerade gerannt war, dann...
    Er musste wohl gerannt sein. Als Nelli die Seitenstraße erreichte, war die Ente weg, der Parkplatz bereits wieder belegt. Sie hatte nicht mal Rolfs Handynummer und hatte natürlich auch aufs Nummernschild keinen Blick geworfen. Verflixt und zugenäht!
    „Was mach ich hier?“, flüsterte Nelli. „Ich bin ihm nichts schuldig.“
    Aber sie fühlte sich schuldig. Sie wendete ihr Fahrrad, fuhr, da der Marienplatz gegen die Einbahnstraßenrichtung lag, auf dem Gehsteig zurück, erreichte die Fußgängerzone und die Stelle, an der sie die Reporterin hatte stehen lassen – und fand Menschengedränge, aber kein bekanntes Gesicht. Nun hatte sie es also geschafft, den Termin völlig zu vermasseln und alle Beteiligten zu verärgern. Letzte Chance vertan. Abgebrannt in einer fremden Großstadt. Klasse gemacht, Nelli!
     
    Sie radelte wie der Teufel: über Gehsteige, Plätze, gegen Einbahnstraßen, durch schmale Gassen. Alle paar Ecken stoppte sie und befragte Passanten. Schließlich strampelte sie, begleitet von gellendem Hupkonzert, ein Stück über den Standstreifen einer Stadtautobahn.
    Total verschwitzt und schnaufend stand sie endlich in einem Vorortindustriegebiet vor dem Glasportal des Verlagshauses, in dem die Reporterin ihr Büro hatte.
    Nelli bugsierte ihr Fahrrad kurzerhand durch die Schiebetür in die Empfangshalle, nutzte den Protest des Mannes am Infoschalter, um nach Fiona Herolder zu fragen, da kam sie im selben Moment hereinmarschiert und staunte nicht schlecht, dass Nelli sie per Fahrrad abgehängt hatte.
    „Es tut mir wirklich leid“, begann sie und versuchte, nicht übertrieben reumütig zu wirken. Aufatmend nahm sie zur Kenntnis, dass sie ihre Chance nicht verspielt, sondern vielleicht sogar Punkte gesammelt hatte.
    Die Herolder zog eine Zigarettenpackung aus ihrem schwarzen Lackhandtäschchen, ohne ein Wort zu sagen, klopfte sich eine Zigarette zurecht, steckte sie in den Mund, nahm sie wieder heraus, als sie den drohenden Blick des Pförtners sah, und gab Nelli einen Wink mit dem Kopf. Die wollte ihr Fahrrad mitnehmen. Fiona Herolder stoppte sie per Handzeichen und zeigte, an den Pförtner, gewandt mit dem Finger darauf. Der nickte, und Nelli stellte es an Ort und Stelle ab.
    Sie gingen aus dem Empfangsraum durch eine Glastür in einen Gang mit regelmäßig abzweigenden Türen, gelangten über eine Schleuse in ein Nebengebäude und folgten dort weiteren Gängen, bis sich eine Art Atrium öffnete, eine grün bepflanzte Insel

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