In ewiger Nacht
spiralförmig eingedrehtes kastanienbraunes Haar.
»Das … das …«, stammelte Rodezki, den Blick auf die Haarspange gerichtet, »das habe ich gefunden … Und mitgebracht …« In seiner Brust rasselte und gluckerte es, schweres Keuchen löste den Husten ab.
»Regen Sie sich bitte nicht auf«, sagte der Ermittlungsleiter freundlich. »Das ist schädlich für Ihr Asthma.«
Draußen näherten sich rasche Schritte. Der rothaarige Oberleutnant kam mit dem Asthmaspray hereingerannt.
»Entschuldigen Sie, ich musste in Ihre Taschen fassen, ich wollte nicht extra den Mantel herschleppen.«
Er reichte Rodezki das Spray und schaute zu Solowjow. Obwohl es Rodezki schlecht ging, bemerkte er doch, dass das Lächeln im runden Gesicht des Oberleutnants einem ernsten, besorgten Ausdruck gewichen war. Die beiden Milizionäre wechselten schwer zu deutende Blicke.
»Dmitri, einen Augenblick bitte«, sagte der Leutnant leise.
Sie gingen in eine Ecke des Raumes und flüsterten miteinander. Der dicke Major gesellte sich dazu. Der alte Lehrer sprühte sich eine Dosis Asthmaspray in den Mund, hustete ab und fragte: »Wie haben Sie meinen Mantel erkannt?«
Seine Stimme klang leise und heiser, doch der Oberleutnant hatte es gehört und drehte sich rasch um, wieder ein freundliches Lächeln im Gesicht.
»In der Lehrergarderobe hing nur ein Herrenmantel.«
»Ach so, ja. Es arbeiten ja nur drei Männer an der Schule. Außer mir noch der Werklehrer der Jungen und der Sportlehrer. Aber die beiden tragen Jacken.«
Warum sage ich das, dachte er. Ich muss Ihnen etwas Wichtiges mitteilen. Was nur? Mein Gott, was? Nach dem Anfall war sein Bewusstsein leicht getrübt.
»Geht es Ihnen jetzt besser? Sind Sie sicher, dass Sie keinen Arzt brauchen?«, fragte Solowjow.
»Es ist in Ordnung. Danke.«
Solowjow zog einen Stuhl heran und setzte sich Rodezki gegenüber.
»Sind Sie in der Lage, Fragen zu beantworten?«
»Ich will es versuchen.«
»Gestern Abend war also ein Mann bei Ihnen, der sich als Onkel von Shenja Katschalowa vorstellte«, rekapitulierte Solowjow. »Kannten Sie ihn schon vorher?«
»Nein. Ich wusste nicht einmal, dass Shenja einen Onkel hat. Aber er sagte, er habe lange im Ausland gearbeitet. Er und Shenjas Mutter seien zerstritten und redeten seit Jahren nicht mehr miteinander. Angeblich behauptet sie sogar, keinen Bruder zu haben.«
»Er ist ihr leiblicher Bruder, ja?«, fragte der Oberleutnant.
»Ja. Wesentlich älter als sie. Bestimmt zwanzig Jahre.«
»Wie, sagten Sie, heißt er?«
»Michail.«
»Warum war er bei Ihnen?«
»Wegen Shenja. Er rief mich am Montag auf meinem Handy an, so gegen acht, stellte sich vor und sagte, er müsse sich dringend mit mir treffen. Dann kam er zu mir.«
»Sie sagten, Shenja habe große Probleme gehabt. Dem sogenannten Onkel habe sie davon erzählt, Sie dagegen hätten es zufällig herausgefunden. Wenn ich das richtig verstehe, haben Sie deshalb Shenja angerufen und sich am Sonntagabend mit ihr getroffen, und deshalb war auch der Onkel bei Ihnen.« Die Stimme des Kriminalisten klang ruhig, sein Gesicht wirkte müde und angenehm. Seine grauen Augen waren nicht feindselig, im Gegenteil, voller Mitgefühl, ja, Sympathie.
»Warum mussten Sie sich mit ihr eigentlich so spät treffen und ausgerechnet auf der Straße?«, fragte plötzlich der Dicke in Uniform, der bislang geschwiegen hatte.
»Ort und Zeit habe nicht ich bestimmt«, sagte der Lehrer,»aber ich musste unbedingt mit ihr reden. Ich habe sie mehrfach angerufen, sie war einige Tage nicht in der Schule.«
»Warum wollten Sie mit ihr reden und nicht zum Beispiel mit ihrer Mutter?«, fragte der Dicke.
»Entschuldigen Sie – wie heißen Sie?«
»Einsatzgruppenleiter Eduard Sawidow«, stellte sich der Dicke vor.
Der Lehrer nickte. »Ja, Eduard, Sie haben völlig recht. Für Außenstehende sieht das in der Tat seltsam aus. Es ist so – vor ein paar Wochen stieß ich im Internet zufällig auf eine Pornoseite. Der Autor nennt sich Mark Moloch. Er schreibt widerliche pornographische Geschichten und dreht Kinderpornos. Und darin habe ich Shenja gesehen.«
Es klingelte. Die Pause war zu Ende. Die Oberstufenbeauftragte schaute herein.
»Entschuldigen Sie, ich muss ein Klassenbuch holen.« Sie huschte zu einem Schrank, sah absichtlich langsam die Klassenbücher durch und schaute dabei zu Rodezki.
»Wie geht es Ihnen, Boris?«, fragte sie mit lauter Lehrerinnenstimme. Endlich hatte sie das Klassenbuch gefunden, machte aber keine
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