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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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einen Teller grünen Salat ohne Salz, zum Abendbrot einen Apfel oder eine Apfelsine. Drei Liter Mineralwasser am Tag. Zweimal in der Woche ein Stück gekochtes Fleisch oder Fisch.
    Mark verließ fast nie das Haus. Er saß am Computer und schrieb an einem Buch. Manchmal las er Ika längere Abschnitte daraus vor. Es war ein phantastischer Roman. Ein Wissenschaftler schafft Klone verschiedener berühmter Menschen, sie sollen sich vermehren und so die menschliche Rasse verbessern. Ika hörte gern zu, es gefiel ihr, sie fand nur, dass zu viel Sex und Obszönes darin vorkam. Mark lachte spöttisch und erklärte: »Du hast keine Ahnung, ohne das verkauft sich heutzutage gar nichts.«
    Sie glaubte ihm unbesehen. Er wurde der wichtigste Mensch in ihrem Leben. An seiner Seite hatte sie keine Angst, und alles fiel ihr leicht; das Hungern und die anstrengende Gymnastik,von der ihr der Schweiß in Strömen herunterrann und alle Muskeln schmerzten.
    Wenn es sehr hart war für sie, hungerte er mit ihr zusammen und machte mit ihr zusammen Gymnastik. Sie waren Verbündete. Beide arbeiteten fanatisch auf ihr Ziel hin. Er schuf den wichtigsten Roman seines Lebens, hoffte auf großen Ruhm und das große Geld, sie wurde neu geboren.
    Gleich am Anfang kaufte Mark ihr drei Paar Jeans. Eine große Größe, eine mittlere und eine kleine. Nach einem Monat hing die Große an ihr wie ein Sack. Nach zwei Monaten rutschte sie herunter, und sie zog die Mittlere an. Die trug sie drei Monate. Ende Mai rutschte auch die herunter.
    An dem Tag, an dem Ika sich entschloss, die kleinste Jeans anzuziehen, beendete Mark seinen Roman. Ika umarmte ihn stürmisch, küsste ihn und kreischte vor Begeisterung. Er hob sie hoch, schwang sie im Kreis, und sie fielen auf das knarrende Bett. Ika begriff, was es hieß, ein Schmetterling zu sein.
    Irgendwann schlief sie ein. Sie erwachte davon, dass Mark sie auf den Mund küsste. Er lag neben ihr, die Fernbedienung in der Hand.
    »Na, schauen wir uns mal an, wie es geworden ist.«
    Zuerst traute Ika ihren Augen nicht. Auf dem Bildschirm lief ein Porno. »Kuck mal, der sieht dir ähnlich!«, rief sie und entriss ihm die Fernbedienung.
    »Und sie dir!«, schrie er lachend.
    Da begriff sie endlich. Sie schaltete den Fernseher aus und versetzte Mark eine Ohrfeige. Noch immer lachend, packte er ihre Handgelenke, presste sie zusammen und zog sie an sich.
    »W-warum? W-wie konntest du d-das tun?«, murmelte Ika, wobei sie sich wand und seinen Küssen auswich.
    Doch bald verstummte sie. Und genau wie bei diesem ersten Mal brachte er sie auch später stets gekonnt zum Schweigen. Nach zehn Minuten fühlte sie sich wieder wie ein glücklicher Schmetterling. Und Schmetterlinge geben keinen Laut von sich, sie rascheln nur ganz leise mit den Flügeln.
    Am nächsten Tag brachte Mark das Romanmanuskript in den Verlag. Am Abend aßen sie zusammen mit dem Glatzkopf im Restaurant. Der Glatzkopf hieß Garik. Er erging sich in Komplimenten, schnalzte mit der Zunge, schaute Ika immer wieder an und schüttelte den Kopf.
    Ika betrachtete sich zufrieden in den Restaurantspiegeln und lächelte, wobei die schönen, geraden und schneeweißen Zähne blitzten. Und sie stotterte nicht mehr, sondern sprach ruhig und sanft, als würde sie singen.
     
    »Was willst du sagen, he?« Matwej beugte sich dicht zu ihr hinunter, fasste sie unters Kinn und sah ihr in die Augen.
    Sie sagte immer wieder: »She… She…«
    Eben hatte Matwej ihr erzählt, wie der Mörder Shenja getötet hatte. So ausführlich, als wäre er selbst dabei gewesen. Er schien Spaß an den Einzelheiten zu haben.
    Toma brachte ihr ein Glas Wasser. Wowa bot ihr eine Zigarette an. Matwej erklärte, sie seien eigentlich wegen Shenja hier, sie wollten den Bastard finden, der sie ermordet hatte. Er sei ein Psychopath und würde weitermachen, aber die Miliz würde ihn nie erwischen. Vor anderthalb Jahren habe er drei Kinder getötet, die in Pornos mitgewirkt hatten. Auf dieselbe Art ermordet wie Shenja.
    »Kapierst du, was für ein Glück du hast, dass wir eher hier waren als die Miliz? Du bist volljährig, sie könnten dir mühelos gleich mehrere Paragraphen anhängen.«
    Sie hatte Marks spöttische Worte im Ohr: »Er wird dich vielleicht töten, aber schlagen wird er dich nicht.«
    Das hatte Mark zu Shenja gesagt, als er sie zu dem neuen Kunden schickte.
    Das erste Mal hatten sich die beiden in der Hotelwohnung getroffen. Shenja hatte hinterher erzählt, dass er irgendwie unheimlich sei.

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