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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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in Olgas Kittel klingelte.
    »Hallo, Olga. Hier ist Mischa Ossipow. Erinnern Sie sich? Von der Sendung ›Ermittlungsgeheimnisse‹.«
    Olga blieb abrupt stehen, als habe jemand sie mit eiskaltem Wasser übergossen. Es ging wieder los!
     
    Valeri Katschalow bewohnte mit seiner jungen Frau Marina und seinem vier Monate alten Sohn Nikita die oberste Etage eines siebengeschossigen Hauses in einer ruhigen Straße unweit der Metrostation Nowoslobodskaja. Der weißrosa Neubau mit Türmchen und Glaskuppel auf dem Dach stand hinter einem hohen gusseisernen Zaun.
    Unterwegs versöhnte sich der Sänger wieder mit seinem Produzenten.
    »Also, was willst du heute Abend tun? Heulen? Ja, es ist furchtbar, es ist ein Alptraum, aber das Leben muss trotzdem weitergehen.«
    »Beruhige dich, das Konzert heute findet statt.«
    Zu dritt gingen sie durch das Tor.
    »Sie kommt nie wieder«, murmelte der Sänger.
    Er zitterte heftig, seine Zähne klapperten.
    »Sie ist das begabteste und hübscheste von meinen Kindern«,sagte Katschalow dumpf, nachdem er mehrmals krampfhaft geschluckt und sein Zittern ein wenig eingedämmt hatte. »Ich wollte immer, dass Shenja bei mir lebt. Nur mit ihr kann ich arbeiten. Sie haben bestimmt den Clip gesehen, er läuft ständig im Fernsehen. Das war alles ihre Idee. Können Sie sich das vorstellen? So klein sie ist, hat sie sich das alles ganz allein ausgedacht.«
    In der Wohnung dröhnte Musik, Hardrock, der unangenehm in die Magengrube fuhr. Nach dem Vorspiel brüllte eine Männerstimme: »Dein za-artes Herz … a-a-oh … die geschmeidige Leber … a-ah.«
    Im halbdunklen Flur tauchte eine Frauengestalt auf, groß und schlank, in einem kurzen Bademantel, das Haar mit einem Handtuchturban umwickelt, das Gesicht mit einer körnigen grünlichen Masse bedeckt.
    »Oh!« Das Mädchen wich zurück und lief davon.
    Nach mehrfachem Seufzen und Schnaufen, das von der Stereoanlage derartig verstärkt wurde, als fauche ganz in der Nähe ein gigantischen Ungeheuer, setzte erneut Rock ein.
    »Schalt das aus!«, schrie Katschalow. »Marina, verdammt, hörst du nicht, du sollst das ausschalten!«
    Nervös und laut fluchend rannte er ins Zimmer, und kurz darauf war es still.
    »Sie hört dauernd Vaselin«, erklärte der Produzent Solowjow.
    »Was?«
    »Sagen Sie bloß, Sie kennen Vaselin nicht?« Der Produzent schaltete das Licht im Flur ein und sah Solowjow erstaunt an.
    »Ein Sänger vermutlich?«
    »Ja, wenn man das so nennen kann. Kommen Sie, wir gehen ins Wohnzimmer.«
    Sie stiegen eine hallende Metalltreppe hinauf und standen in einem riesigen Raum mit einer halbrunden Kuppel als Zimmerdecke. Ein Billardtisch, eine Stereoanlage, ein Kamin,ein giftigrosa Flügel. Der Produzent ließ sich auf ein Sofa fallen und streifte die Schuhe ab. Sein Handy klingelte. Und gleich darauf ein weiteres Telefon, vermutlich ein Festnetzanschluss. Solowjow hörte eine Frauenstimme unten schreien: »Nein! Er kann jetzt nicht mit Ihnen reden! Seine Tochter wurde ermordet!«
    Der Hörer wurde aufgeknallt, dann eilten leichte Schritte die Treppe herauf. Marina kam herein. Sie hatte sich das Gesicht gewaschen und den Turban abgenommen, trug aber noch immer den kurzen Bademantel und war barfuß. Ihre langen Haar waren feucht. Sie warf sie mit einer eleganten Bewegung zurück, setzte sich aufs Sofa und zündete sich eine Zigarette an. Sie sah fast aus wie Nina, nur zehn Jahre jünger.
    »Schreckliche Sache«, sagte sie, die klaren blauen Augen auf Solowjow gerichtet. »Ich heiße Marina. Und Sie?«
    Solowjow stellte sich vor. Sie nickte und blies den Rauch durch die Nase aus.
    »Entschuldigen Sie, Valeri kommt gleich hoch.«
    »Was ist mit ihm?«, fragte der Produzent besorgt.
    »Er ist auf dem Klo und kotzt«, sagte Marina leise und dann lauter, an Solowjow gewandt: »So reagiert er immer auf Stress. Aber sagen Sie, solange er weg ist – wie wurde sie denn getötet? Und von wem?«
    »Sie wurde erwürgt.« Solowjow räusperte sich. »Die Todesursache war Erwürgen. Wer es getan hat, wissen wir bislang nicht. Wann haben Sie Shenja das letzte Mal gesehen?«
    »Erwürgt? Schrecklich! Wann ich Shenja das letzte Mal gesehen habe? Lassen Sie mich überlegen.« Sie runzelte die schmalen hohen Brauen, strich sich das Haar glatt, drückte die Zigarette aus und zündete sich sofort die nächste an.
    »Vor zwei Wochen hast du Shenja gesehen, bei Vaselins Konzert im ›Non-Stop‹«, sagte der Produzent. »Du hast erzählt, sie sei mit einem alten

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