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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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aus.«
    Lida hatte seit einiger Zeit einen Bioenergie-Tick und unterteilte die Menschen in Neutrale, Spender und Vampire. Sich selbst rechnete sie zu den Spendern, und wenn ein Patient ihrer Meinung nach ein Vampir war, reichte sie ihn möglichst an einen anderen Arzt weiter. Olga war ihrer Ansicht nach ein Muster an Neutralität, denn niemand war vampirischer veranlagt als Serienmörder, und da Doktor Filippowa es fünf Jahre mit ihnen ausgehalten hatte, musste sie einfach immun sein.
    »Hört du mich, Olga? Siehst du dir das Mädchen mal an?«
    »Ja, klar.«
    »Du bist ein Engel.«
     
    Valeri Katschalow fand Solowjow im Restaurant »Hollywood«, wo der Sänger mit seinem Produzenten aß. Solowjow hatte am Telefon keine Erklärungen abgegeben, sich lediglich vorgestellt und erklärt, dass sie sich dringend treffen müssten.
    Das Restaurant war gemütlich und fast leer. Es wurde alter Jazz gespielt, von den Wänden lächelten Hollywood-Stars. Es roch nach Gewürzen und gebratenen Zwiebeln. Nur zwei Tische waren besetzt, an einem saßen drei gepflegte strenge Damen, am anderen zwei Männer. Der Große, Korpulente mit dem strohblonden gegelten Haar und dem kleinen Pferdeschwanz aß eine Suppe, der Dünne, Gebeugte mit den fettigen schulterlangen Strähnen nagte an einem gebratenen Hähnchen. Solowjow erkannte in dem Sehnigen, Kläglichen nicht gleich den berühmten Valeri Katschalow.
    »Sie sind Kriminalist? Was ist denn passiert?«, krächzte der Sänger, kaum dass Solowjow an den Tisch getreten war. Solowjow fragte sich, wie er mit dieser Stimme singen konnte.
    Der Dicke vergaß seine Suppe, zerfloss in einem Lächeln, stand auf und rückte einen Stuhl für Solowjow heran.
    »Setzen Sie sich. Was kann ich für Sie bestellen? Ich heiße Michail, ich bin Valeris Produzent. Und Sie heißen Dmitri, wenn ich richtig verstanden habe.«
    Der Produzent schwatzte ohne Pause in schrillem, unangenehmem Falsett.
    »Halt die Klappe, sei so gut«, bat der Sänger. »Lass den Mann sagen, was passiert ist.«
    »Nichts ist passiert, gar nichts«, miaute der Produzent, »iss weiter, reg dich nicht auf. Dmitri, kann ich Sie einen Augenblick sprechen?«
    Der Dicke nahm Solowjows Arm und ging mit ihm ans andere Ende des Speisesaals.
    »Ich flehe Sie an, sagen Sie es ihm nicht jetzt. Er hat in drei Stunden ein Konzert. Lassen Sie ihn erst auftreten und sagen Sie es ihm hinterher. Es ändert doch sowieso nichts. Mein Gott, was für ein Unglück, was für ein entsetzliches Unglück! Und was für ein Glück, dass sie nicht sein einziges Kind ist. In der Hinsicht war Valeri Gott sei Dank fleißig, er hat eine Menge unnütze Esser mit verschiedenen Frauen gezeugt.« Das alles flüsterte der Produzent Solowjow direkt ins Ohr, wobei er feucht ausatmete und sich mehrfach hastig bekreuzigte. Solowjow bemerkte an seiner Hand einen Siegelring und eine farbige Tätowierung, ein zierliches Seepferdchen.
    »Entschuldigen Sie, wieso wissen Sie denn Bescheid?«
    »Ich? Woher ich es weiß?« Er runzelte die Stirn. »Ach ja, eine Frau hat angerufen, auf Valeris Handy. Er war im Bad, ich bin rangegangen. Sie hat es mir gesagt. Eine Freundin von Shenjas Mutter oder so. Also, sind wir uns einig?«
    »Worüber?«
    »Dass Sie es ihm vorerst nicht sagen. Wenn das Konzert ausfällt, ist das eine Katastrophe, das kostet uns ein Heidengeld. Und jetzt essen Sie in aller Ruhe mit uns, ich lade Sie ein. Reden Sie mit ihm über die Prügelei beim letzten Konzert.Davon haben Sie bestimmt gehört, von der schlimmen Prügelei in Chimki, es gab sogar einen Toten. Valeri war Zeuge. Also, sind wir uns einig? Ich flehe Sie an, soll ich vor Ihnen niederknien?«
    Der Produzent griff nach Solowjows rechter Hand. Solowjow spürte das hastige Nesteln der feuchten Finger und riss sich los. Mehrere zerknitterte Hundertdollarnoten fielen zu Boden.
    »Heben Sie das sofort auf und seien Sie nicht so hysterisch«, sagte Solowjow.
    Der Produzent fluchte leise. Solowjow ging zurück zum Tisch, während der Dicke die Scheine aufsammelte.
    Der Sänger hatte sein Hähnchen aufgegessen und rauchte. Solowjow setzte sich neben ihn.
    »Sie sind bestimmt wegen der Schlacht in Chimki hier? Und Mischa hat Sie angefleht, mich vor dem Konzert nicht anzurühren? Scheren Sie sich nicht um ihn, er ist ein Psychopath«, sagte der Sänger und starrte dabei weiter vor sich hin.
    »Valeri, wann haben Sie Ihre Tochter Shenja zum letzten Mal gesehen?«
    »Shenja?« Katschalow drückte die Zigarette aus und

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