In ewiger Nacht
erklärte bereitwillig, Irina Drosdowa, geboren 1984, sei ihre Freundin.
»Wir stammen beide aus Bykowo, als Kinder waren wir zusammen in einer Gymnastikgruppe.«
»Und was macht sie zur Zeit?«
»Ika? Eigentlich gar nichts. Sie lebt mit jemandem zusammen, er ist eine Art Schriftsteller. Wissen Sie, Ika hat viel Pech gehabt im Leben. Ihre Eltern sind vor ihren Augen umgebracht worden, da war sie erst zehn. Seitdem stottert sie stark, wenn sie aufgeregt ist.«
»Dieser Mann, eine Art Schriftsteller, das ist ihr Bruder?«
»Ihr Bruder?« Marina lachte. »Wie kommen Sie darauf? Sie leben einfach zusammen. Er ist um die vierzig und heißt Mark. Wie weiter, weiß ich nicht mehr. Die beiden wohnen im Moment irgendwo in der Nähe der Metrostation Poleshajewskaja. Die Wohnung haben sie erst vor kurzem gemietet. Ich kann mal sehen, ob ich die Adresse habe, aber ich kann nichts versprechen. Wenn ich sie finde, rufe ich zurück.«
»Kannte Shenja Ika und diesen Mark?«
»Ika ja, die beiden waren befreundet. Mark kannte sie bestimmt auch, aber Freunde waren sie eher nicht.«
»Was heißt eigentlich – eine Art Schriftsteller?«
»Ach, er schreibt alles Mögliche. Ich hab ehrlich gesagt nichts davon gelesen. Er hat wohl mal einen Roman über Klone geschrieben, der ist auch erschienen, hat sich aber nicht verkauft. Ich habe Mark lange nicht mehr gesehen.«
»Sie sind viel zu höflich zu ihr«, bemerkte Maja, als Solowjow das Telefon weggelegt hatte. »Und, was hat sie gesagt?«
»Nichts Besonderes. Wie Ika weiter heißt. Der Mann, mit dem sie zusammenlebt, ist nicht ihr Bruder. Er heißt Mark.«
»Hab ich mir doch gedacht! Die beiden gehören zu Shenjas geheimem Leben.«
»Sind Sie sicher, dass es ein geheimes Leben gab?«
»Sie nicht?« Maja lachte traurig. »Nina und ich dachten erst an Drogen. Wir haben die Kleine zur Beratungsstellegeschleppt, aber sie war clean. Das hat sie natürlich gleich ausgenutzt, sie war sauer, hat erklärt, ihre Mutter hätte sie furchtbar gedemütigt, und ist zehn Tage lang von zu Hause weggeblieben.«
»Aber wie kommen Sie auf erwachsene Männer? Vielleicht waren es ja Gleichaltrige?«, fragte Solowjow.
»Von wegen Gleichaltrige! Als Sie bei der Durchsuchung das Geld gefunden haben, war die Sache für mich endgültig klar. Für Nina übrigens auch. Darum hat sie behauptet, es wäre ihr Geld. Wahnsinn, zwanzigtausend Euro! Mir ist schon lange aufgefallen, dass Shenja lauter sauteure Klamotten und Kosmetika besaß. Von Papa, von Marina, behauptete sie immer. Die kleine Schwindlerin wusste genau, dass ihre Mutter die beiden nie danach fragen würde.«
»Aber offenkundige Beweise dafür, dass Shenja sich mit erwachsenen Männern traf und von ihnen bezahlt wurde, haben Sie nicht?«, hakte Solowjow nach.
»Nein.« Maja seufzte und zündete sich eine Zigarette an. »Shenja war zu klug und zu vorsichtig, um mir oder ihrer Mutter Beweise zu liefern. Aber von einem weiß ich mit Sicherheit. Vaselin. Der Sänger. Allerdings hat er ihr bestimmt kein Geld gegeben. Er soll unglaublich geizig sein, ein Angeber und Zyniker. Übrigens auch ein angesagter Szenetyp. Shenja und er hatten seit kurzem eine Affäre. Marina hat die beiden miteinander bekannt gemacht.«
»Das heißt, Shenja war in ihn verliebt?«
»Und wie! Sie war verrückt nach ihm. Sie kannte alle seine Songs auswendig.«
»Und er? Wie war sein Verhältnis zu ihr?«
Maja schnäuzte sich in eine Serviette und verkündete mit dröhnender Bassstimme: »Vaselin ist ein selbstverliebtes Arschloch. Ich glaube, ihm geht es nur um die PR. Er braucht ständig öffentliche Skandale, um immer in den Klatschspalten zu stehen. Aber unser kleines Dummchen hat sich in ihn verliebt. Durchaus möglich, dass sie von ihm schwanger war.«
»Sie wussten es?«, fragte Solowjow erstaunt.
»Was dachten Sie? Ich hatte bemerkt, dass sie schon eine ganze Weile keine Regel mehr hatte und dass ihr morgens übel war. Dann kam ich mal in ihr Zimmer, als sie sich gerade anzog, und hab das Bäuchlein gesehen. Sie ist ja ansonsten spindeldürr, also war sie bestimmt schon in der zwanzigsten Woche.«
»Siebzehnte«, sagte Solowjow.
»Was, sie wurde schon obduziert?« Maja schluchzte auf und schüttelte den Kopf. »Mein Gott, das kleine Dummchen wollte das Kind kriegen! Hat sich drauf gefreut. Sie wollte Vaselin heiraten. Schöner Märchenprinz! Danke, dass Sie Nina nichts davon gesagt haben.«
»Haben Sie versucht, mit Shenja über die Schwangerschaft zu
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