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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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nicht in unserem »Hotel«, sondern beim Kunden. Er kommt mit seinem Wagen zum Park vor dem Kasino und gibt mir ein verabredetes Hupsignal: zweimal kurz, einmal lang. Wenn ich den Termin hinter mir habe, ist Schluss. Egal, was Mark sagt, soll er mir ruhig Angst machen. Ich kann ihm auch Angst machen, er wird sich wundern.
    Ich werfe eine Münze. Kopf oder Zahl.
    Am Sonntag gehe ich mit V. in den Klub. Ich werde ihm sagen, dass ich die Nacht bei ihm bleiben will. Das habe ich noch nie getan, bis jetzt hat er immer gesagt, wenn er das wollte.
    Wenn ich Sonntagabend mit zu V. fahre, wartet der Kunde umsonst auf mich. Das wäre »Kopf«.
    »Zahl« – wenn V. mich doch nicht mit zu sich nimmt. Vielleicht hat er ja was Dringendes vor? Probe oder Aufnahmen. Dann arbeite ich noch ein letztes Mal.
    Ich habe die Münze geworfen – dreimal Zahl! Aber was bedeutet das schon? Ist ja nur eine Münze.
    Alles hängt von V. ab. Wenn wir die Nacht zusammen verbringen, erzähle ich ihm von dem Kind und sage ihm, wie sehr ich ihn liebe. Ich weiß, er liebt mich auch, er ist mein Schicksal.
    Gute Nacht, Tagebuch! Ich glaube, jetzt kann ich einschlafen. Und werde etwas Schönes träumen.
     
    Hier brachen die Aufzeichnungen ab. Danach kamen nur noch leere Seiten. Rodezki empfand die Stille als lastend und seltsam. Eben noch, beim Lesen des Tagebuchs, hatte erdeutlich die Stimme des Mädchens gehört. Nun war sie verstummt, verschwunden, als hätte ihr jemand den Mund zugehalten.
     
    Die Sportlerin Maja erwartete Solowjow vor dem Hauseingang. Er entdeckte die kräftige Gestalt mit dem kleinen Kopf im vom Regen schraffierten Schein der Straßenlampe sofort und hupte. Als sie die Tür öffnete, roch es nach Alkohol.
    »Guten Abend. Gehen wir in ein Café, ich muss dringend etwas essen.«
    Solowjow nickte. »Ja, das sollten Sie.«
    »Ich rieche nach Alkohol, ja? Keine Angst, ich werde nie betrunken.« Sie stieg ein und schlug die Tür zu. »Wir können. Rechts raus auf den Prospekt, da ist ein gutes Café. Nicht teuer, nie voll, und das Essen schmeckt. Ninas Kühlschrank ist leer, wenn Shenja nicht da ist, kauft sie nicht ein und isst nichts. Wissen Sie, ich hätte nie gedacht, dass es so nette Kriminalisten wie Sie gibt. Mein Gott, was rede ich da? Ich kann nicht weinen, also plappere ich. Ich habe einen Kloß im Hals, aber meine Augen sind knochentrocken. Ich habe ja keine eigenen Kinder. Ich habe mich mehr mit Shenja abgegeben als die eigene Mutter. Als Shenja zur Welt kam, hatte ich keine Arbeit, und Nina und Valeri haben mich als Kinderfrau engagiert. So, wir sind da.«
    In dem leeren Café war es sehr warm. Im hellen Licht vor dem Garderobenspiegel sah Solowjow, dass seine Begleiterin grob und schlampig geschminkt war. Als sie am Tisch saßen, zündete sie sich eine Zigarette an und rauchte gierig. Ohne einen Blick in die Karte bestellte sie einen Salat und Hähnchenhacksteaks mit Reis.
    »Und für Sie, Dima? Das Essen ist wirklich gut hier.«
    »Ich glaube, ich nehme dasselbe.«
    »Tja, also«, sagte Maja, als die Kellnerin weg war, »ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Als Valeri die beiden verlassen hatte, war Shenja vier. Er wollte das Kind mitnehmen,drohte sogar mit Gericht. Er hatte damals schon drei Söhne, aber um die kümmerte er sich kaum. Für Shenja dagegen entwickelte er plötzlich Vatergefühle. Vielleicht, weil er inzwischen das Alter dafür hatte, oder weil Shenja ein Mädchen war und ihm so schutzbedürftig vorkam. Sie war vom ersten Tag an so hübsch wie ein Engel. Und ihr erstes Wort war ›Papa‹. Das zweite war ›Maja‹. Darüber streiten Nina und ich bis heute. Sie meint, das Kind hätte ›Mama‹ gesagt. Valeri erklärte, wir sollten uns beide nichts einbilden, Shenja sage nur ›haben‹. Sie wollte tatsächlich alles haben, immer mehr. Spielzeug, Geschenke, Feiern, Abenteuer, Aufmerksamkeit, Liebe. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass Mädchen sei zur falschen Zeit und am falschen Ort geboren und suchte nun nach etwas, das es nicht gibt.« Sie lachte traurig. »Ich labere schon wieder zu viel. Das interessiert Sie bestimmt nicht.«
    Das Essen wurde serviert. Maja begann sofort zu kauen, gierig und unschön.
    Eine Weile schwiegen sie, ganz auf ihre Teller konzentriert.
    »Sehen Sie, ich habe doch gesagt, das Essen ist hier gut.« Maja wischte mit einem Stück Brot die Soßenreste auf. »Sie wollen bestimmt etwas über die erwachsenen Männer hören, mit denen Shenja für Geld geschlafen hat? Ich

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