In ewiger Nacht
kann Ihnen leider keine Namen nennen. Aber nehmen Sie Shenjas Stiefmutter, diese miese Marina, mal ordentlich in die Zange, die weiß garantiert was. Dieses Miststück ist die schlaueste von Katschalows Frauen. Sie hat sofort kapiert, wenn eines seiner Kinder eine reale Gefahr für sie darstellt, dann Shenja.«
»Inwieweit eine Gefahr?«, unterbrach sie Solowjow.
»Vor allem in materieller Hinsicht. Valeri ist im Grunde geizig, aber Shenja hat er ständig Geld zugesteckt, auch ihre Englandreisen hat er bezahlt, die Sprachschule im Sommer. Wissen Sie, was so was kostet? Außerdem ist Valeri mit seinen achtundvierzig total am Ende. Krankes Herz, Nierenprobleme. Und im Fall des Falles wäre Shenja nicht leer ausgegangen, sie hätte am meisten geerbt.«
»Na, vorerst ist es ja zum Glück noch nicht so weit«, sagte Solowjow leise. »Achtundvierzig ist noch kein Alter, und gesundheitliche Probleme hat doch jeder, auch Jüngere.«
»Heute noch nicht, aber wer weiß, wie es morgen aussieht? Meinen Sie, Marina hätte ihn aus großer Liebe geheiratet? Sie haben die beiden doch gesehen, das hässliche Wrack und die junge Schönheit. Würde mich nicht wundern, wenn sie den Mörder engagiert und das ganze Spektakel so inszeniert hätte, dass alle denken, es wäre ein Serienmörder gewesen.«
Solowjow versuchte, in ihre nassen Augen zu blicken, die dick schwarz umrahmt waren wie bei einem Stummfilmstar. Er wollte wissen, wie betrunken sie war und ob sie wusste, was sie da sagte.
»Moment, meinen Sie das ernst? Sie glauben, Marina könnte einen Mörder engagiert haben, der die Handschrift eines Serienmörders nachgeahmt hat?«
»Ohne weiteres! Nicht umsonst hat sie Shenja zu allen möglichen Szenetreffs mitgenommen, sie eingekleidet, ihr das Schminken beigebracht und sie ihren Freunden vorgestellt. Das gefiel der Kleinen natürlich. Mit gerade mal elf war sie ständig unter Erwachsenen, noch dazu so coolen Erwachsenen. Marinas Freunde sind moderne Menschen; jeder schläft mit jedem, viele nehmen Drogen. Das nennen sie Freiheit, verdammte Scheiße.«
»Was sind das für Leute?«, fragte Solowjow.
»Tja, wie soll ich sagen? Popstars, Geschäftsleute, junge Models, Seriendarsteller, Galeristinnen, Restaurateure, Kulturbanditen – schlagen Sie ein beliebiges Hochglanzmagazin auf und schauen Sie in die Klatschspalten, da finden Sie Marinas Freundeskreis. Mit einem Wort, die Szene. Shenja mit ihren Ambitionen fand das natürlich toll. Ich habe als Erste bemerkt, wie sie sich veränderte. Ich weiß, sie liebte mich, und ihre Mutter erst recht, aber sie konnte einem so grausam weh tun – mein lieber Mann! Ach, ich will nicht daran denken. Jedenfalls, sie war auf einmal anders, fremd, nervös undbissig. Mal lachte sie wie eine Irre, dann heulte sie. Wurde bei jeder Kleinigkeit wütend. Manchmal sagte sie ihrer Mutter, sie würde zum Vater fahren, und verschwand für drei Tage. Nina ruft nie bei Valeri an, sie reden seit Jahren nicht mehr miteinander. Und hinterher stellte sich raus, dass sie gar nicht bei ihrem Vater gewesen war. Dann setzte sie eine Unschuldsmiene auf und erklärte, sie hätte bei einer Freundin übernachtet. Die Freundinnen waren alle instruiert und haben sie immer gedeckt.«
»Kennen Sie Freundinnen von ihr?«
»Ja, Karina Awanessowa, die beiden sind seit der ersten Klasse befreundet. Ein nettes Mädchen, freundlich, offen und sauber. Sie weiß bestimmt nichts von Shenjas geheimem Leben.«
»Und wer könnte davon wissen?«
»Keiner. Höchstens Ika. Eine finstere Figur. War nie bei Shenja, aber Shenja hat ziemlich oft bei ihr übernachtet. Hat sie jedenfalls behauptet. Ika hat sie immer gedeckt. Sie stammt aus Bykowo, genau wie Marina. Sie ist zweiundzwanzig, sieht aber jünger aus als Shenja. Sie lebt mit ihrem älteren Bruder zusammen.«
»Haben Sie ihre Telefonnummer?«
»Nur die Handynummer.«
»Die haben wir auch. Aber da konnten wir sie bislang nicht erreichen. Kennen Sie ihren vollständigen Namen, ihre Adresse?«
»Natürlich nicht. Nicht einmal, wie ihr Bruder heißt. Aber nach Ika fragen Sie am besten Marina. Ika hat ein halbes Jahr bei ihr und Valeri gewohnt, als Haushaltshilfe. Dann ist sie zu ihrem Bruder gezogen. Wissen Sie was, rufen Sie Marina doch gleich an! Ich sage Ihnen, sie weiß mehr als jeder andere.«
Solowjow sah auf die Uhr, zog sein Notizbuch hervor und wählte Marinas Mobilnummer.
Sie meldete sich sofort und war kein bisschen erstaunt, alsSolowjow nach Ika fragte. Sie
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