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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Sorgen. Es ist alles in Ordnung.«
    Wahrscheinlich hatte sie recht. Alles in Ordnung. Alles wie immer. Auf Schritt und Tritt hingen Plakate mit seinem Konterfei, im Radio liefen seine Songs, er wurde zu den beliebtesten Talkshows und den angesagtesten Szene-Events eingeladen. Seine Website war randvoll mit begeistertem Lob und wütenden Beschimpfungen.
    »Alles in Ordnung«, flüsterte er, während er sich auf dem zerknüllten Laken hin und her wälzte und zum zehnten Mal das verfluchte Konzert im Kopf Revue passieren ließ.
    Er brauchte unbedingt einen Skandal, um das erlahmende Publikumsinteresse wieder zu entfachen.
    Draußen wurde es hell. Er setzte sich im Bett auf. Natascha schniefte leise im Schlaf. Sie hatte sich aufgedeckt. Er fuhr mit dem Finger über ihren kräftigen, geraden Rücken und flüsterte: »Du wirst mir ein wenig fehlen, Kätzchen.«
    Der zarte Flaum auf ihrer Haut richtete sich auf. In Vaselins neuester Schöpfung hantierte der Held mit einem elektrischen Küchenmesser. Er sägte seiner Freundin das Rückgrat durch, genau an dieser Stelle, zwischen zwei Wirbeln. Rasch saugten sich die weißen Laken voll mit dickem, schäumendem Blut.
    Vor dem Gastspiel an die Wolga hatte Natascha, nachdem sie den Song gehört hatte, das elektrische Küchenmesser aus dem Schrank genommen und weggeworfen.

Siebzehntes Kapitel
    Solowjow fuhr Maja wieder zurück. Sie bat ihn, mit hinaufzukommen, weil Nina vielleicht aufgewacht war und sich womöglich etwas angetan hatte. Aber sie schlief. Auf dem Fußboden standen ein überquellender Aschenbecher und eine leere Kognakflasche.
    »Ich habe alle gefährlichen Tabletten weggeräumt und in meine Tasche gepackt«, flüsterte Maja, »aber ich habe trotzdem furchtbare Angst um sie.«
    Solowjows Handy klingelte. Er verabschiedete sich von Maja und ging hinaus. Es war wieder nicht Olga. Die heisere ältere Stimme am anderen Ende knurrte: »Ich hab drauf gewartet, dass du dich meldest, du hast ja so viel zu tun, da wollte ich nicht stören. Aber ich habe es nicht mehr ausgehalten. Was ist, kommst du heute noch vorbei oder nicht?«
    Es war Wjatscheslaw Lobow. Solowjow hatte ein schlechtes Gewissen, denn er hatte den alten Mann ganz vergessen.
    »Ich habe nicht gehofft, dass Sie so schnell damit fertig werden«, sagte Solowjow.
    »War nicht weiter schwierig. Ich brauchte nur eine Lupe. Und ein kostspieliges Telefonat mit Rom.« Lobow machte eine effektvolle Pause, die Solowjow mit stürmischen Dankesbekundungen füllte und mit der Versicherung, die Telefonrechnung zu übernehmen.
    »Bedanken kannst du dich hinterher, ich habe dir ja noch gar nichts erzählt. Das werde ich am Telefon auch nicht. Dazu wirst du mich alten Mann besuchen müssen. Wo bist du im Moment?«
    »In Sokolniki.«
    »Weißt du noch, wo ich wohne?«
    »In der Krasnosselskaja. Ach, das ist ja nur zehn Minuten von hier.«
    Unterwegs hielt Solowjow an und kaufte einen Strauß Narzissen für Lobows Frau und eine Schachtel Pralinen.
     
    »Komm rein. Aber leise, Vera schläft. Danke für die Blumen. Oh, und auch noch Pralinen. Na, dann mache ich dir mal einen Kaffee.«
    Solowjow registrierte, dass Lobow stark gealtert war; er hatte zugenommen, atmete schwer, sein Gesicht war grau, die Tränensäcke waren geschwollen.
    »Was kuckst du so? Sehe ich so schlecht aus?«
    »Nein, wieso? Wir haben uns bloß lange nicht gesehen.«
    »Ein Jahr und acht Monate. Tja, ich hatte einen Herzinfarkt, hätte beinahe den Löffel abgegeben. Jetzt rauche ich nicht mehr. Und gehe jeden Tag spazieren, laufe wie ein Idiot im Park hin und her. Manchmal kommt Vera wenigstens mit, aber sie hat selten Zeit.«
    Sie gingen in die saubere kleine Küche. Solowjow setzte sich auf die Holzbank, und Lobow öffnete das Fenster und schaltete den Wasserkocher ein.
    »Du kannst ruhig rauchen. Sag mal, hast du dieses Mädchen, die Graphologin, noch immer nicht geheiratet? Ljuda, oder?«
    »Ljuba. Nein, habe ich nicht.«
    »Worauf wartest du? Du hast schon graue Haare!«
    »Ach, irgendwie … Sie ist jünger als ich, und überhaupt, ich hab mich ans Alleinleben gewöhnt.«
    »Du gehst nicht mit der Zeit, Dima. Heutzutage heiraten alle Jüngere. Und was macht dein Kostik? Wie alt ist er jetzt?«
    »Siebzehn. Er bewirbt sich dieses Jahr an der Juristischen.«
    »Prima, prima.« Lobow schenkte Kaffee ein, goss in seine Tasse außerdem Milch und öffnete die Pralinenschachtel. »So, nun spann mich nicht länger auf die Folter. Erzähl mir, was du

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