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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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Leitungswassers mit vollkommen unbekannten Chemikalien bis zur radioaktiven Verseuchung des Duschbads konnte man. solchen Leuten alles Zutrauen. Der Troidl wusste bestimmt weder, was radioaktiv, noch was ein Duschbad war. Aber das war Großmutter egal.
    »Und wer hat den Pudschek umgebracht?«, wollte ich wissen.
    Großmutter sah mich eine Weile verständnislos an. Dann sagte sie. »Wollt ihr noch gesunden Leibes von dieser Stelle kommen, da schweiget, so ihr uns denn schon kennet, allenthalben von uns, und ziehet nun eiligst von dannen; denn auch ich kenne euch und schwöre euch bei allen Göttern die fürchterlichste Rache, so ich es irgend in Erfahrung bringe, dass ihr uns verraten habt!«
    Großmutter tat es gar nicht gut, wenn sie Leichen fand. Seit dem letzten Sommer hatte ich gehofft, dass ich das nie wieder miterleben musste. Sie las dann so viel in der Bibel, dass ihre Unterhaltungen hauptsächlich aus Zitaten bestanden. Ich nahm die Limonadenflasche mit dem Weihwasser, versteckte sie hinter dem Strahlenapparat und schob die Tabletten, die dahinter lagen, nach vorne. Vielleicht nahm Großmutter sie ja doch.
    »Ich muss noch mal weg«, sagte ich in den Raum hinein, obwohl meine Großmutter nicht zuhörte. Schließlich wollte ich nicht, dass der Schorsch persönlich vorbeikam und mich auf die Wache schleppte.
    Der Pudschek.
    In meinem Magen rumorte es, ich hatte das Gefühl, als hätte ich viel zu viel Saures gegessen.
    Ich konnte mich an den Pudschek nicht mehr erinnern, so sehr ich mich auch bemühte. Aber das hatte ich schon damals gelernt, vor zwölf Jahren, dass die Erinnerungen schnell verblassten, Gesichter verschwanden, als hätte es sie nie gegeben, und man Stimmen nicht mehr hören konnte. Nur ganz vereinzelt blieben Erinnerungen erhalten. Von meiner Mutter war nur noch der Klang ihrer Stöckelschuhe da.
    Taktaraktaktak.
    Da steckte alles von meiner Mutter drin. Die Energie. Der Tatendrang. Der Mut. Bei Mutter gab es nur Vorwärts, kein Zurücksehen, und immer nur mit höchster Geschwindigkeit. Taktaraktaktak. So war das mit Mutter. Kein Seitwärtsblicken, ob irgendjemand gut fand, was sie tat. Und wenn ich lange genug an dieses energische und trotzdem elegante Geräusch dachte, kamen auch wieder ein paar Erinnerungen. Ein stummes Lachen, das Zurückwerfen ihrer seidigen Haare. Ihre Stimme hörte ich nie. Aber auch wenn ich das Lachen nicht hören konnte, wusste ich, dass es fröhlich, positiv und voller Lebenslust gewesen war.
    Doch vom Pudschek gab es nur noch das Gefühl, als wäre ich an etwas schuld.
    Ich stand abrupt auf, Großmutter sah nicht einmal auf. Es war ein Gefühl, als würde man im feuchten Schlamm stehen und seine Füße nicht mehr sehen, dachte ich, während ich mich an die blank polierte Edelstahlspüle lehnte und den wirbelnden Blättern in unserem Vorgarten zusah. Und wenn man seine Zehen bewegt, fängt die Oberfläche an sich zu bewegen. Den Grund dafür sieht man nicht. Man weiß ihn zwar, aber man sieht nur die graue, klebrige Oberfläche wabbeln. Jetzt sah ich lediglich diese bewegte Oberfläche, wusste aber nicht, wer hier mit den Zehen wackelte. Ich wusste nur, dass ich es gar nicht wissen wollte.
    Der greißliche Wanninger, der greißliche, musste ich denken und schob den verrutschten Strahlenstein wieder in die richtige Position.
    Als ich gerade gehen wollte, sah ich Max am Küchenfenster Vorbeigehen. Schon sein Klingeln klang ziemlich genervt, fand ich, und sein Hallo war im selben Tonfall. Er ließ sich auf unseren alten Küchenstuhl fallen und streckte die Beine von sich. Er sah jetzt schon müde und abgearbeitet aus, obwohl die Mordermittlungen erst begannen. Gleichzeitig sah er aber auch unglaublich gut aus. Er hatte einen dunklen Strickpullover an und eine Jeans. Und man sah, dass er jede Menge Fitnesstraining machte. Und wenn er den Pullover ablegen würde, käme da wahrscheinlich seine umgeschnallte Waffe zum Vorschein, und das war vielleicht erst attraktiv. Er sah dann noch männlicher aus als ohne Waffe.
    Na ja, gut. Wahrscheinlich hatte er keine Waffe dabei, wenn er zu uns kam. Aber es reichte ja, wenn ich mir das vorstellen konnte. Ich hätte mich ihm jedenfalls am liebsten um den Hals geworfen. Aber Großmutter stand an der Edelstahlspüle und polierte sie auf Teufel komm heraus. Wenn ich mich Max jetzt an den Hals werfen würde, wäre das ein weiterer Rückschlag für Großmutter. Ich, die einzige Enkeltochter, Kurtisane. Das konnte ich nicht

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