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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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hatte.
    »Ja, freilich«, sagte Großmutter plötzlich sehr freundlich. »Des gleiche ham wir auch daheim.«
    Aaah.
    »Jeder in Bayern hat so ein Messer daheim«, erläuterte ich hastig. »Nicht nur wir. Gell, Oma?«
    »Einen Nicker?«, fragte der Blomberg interessiert und beugte sich nach vorne. Ich bekam spontan einen Schweißausbruch. Jetzt würde Großmutter bestimmt das Bedürfnis haben, einem Ausländer bayerische Waffen zu erklären.
    »Des mit dem Abnicken, des musst scho können«, erklärte sie tatsächlich begeistert. »Einfach reinstechen geht da nicht. Da musst schon genau treffen, da ungefähr . . .« Sie bohrte mir mit einem spitzen Finger hinten in den Hals, dass ich ziemlich quietschen musste.
    »Früher«, quiekte ich. »Das war früher, mit dem Abnicken.«
    »Wennst ned g’scheid triffst, beim Jagen, und des Viech ned glei tot is’, dann hast halt den Nicker g’nommen. Um’s von seinem Leid zu erlösen«, bemühte sie sich, dem Blomberg bayerische Jagdtechniken zu erläutern.
    Pfui Teufel. Wenn halt die blöden Jäger nicht gescheit schießen können.
    »Das war früher«, beharrte ich eisern. »Heutzutage haben die Jäger ihre Pumpgun dabei und . . .«
    »Geh, Mädl«, rügte mich Großmutter, wandte sich aber gleich wieder an den Blomberg: »Recht lang rummetzgern darfst da freilich ned.«
    Lange rumgemetzgert hatte der Mörder vom Wanninger auch nicht. Aber dass er ihn »abgenickt« hätte, konnte man auch nicht sagen, denn dazu musste man anscheinend in den Hals stechen und nicht in den Rücken.
    »Ein Nicker is ja auch klein. Da gibt’s ja noch ganz andere Messer. So ein Hirschfänger, der ist einen halben Meter lang«, erklärte Großmutter stolz. »Des warn noch Zeiten. Da ham s’ sogar die Hirschen so derstochen. Oder die Sau.«
    Jetzt ruhig bleiben.
    »Ein Nickermesser hat doch jeder mit dabei«, unterbrach ich Großmutter. »Vor allem, wenn man eine Lederhose anhat. Ein Mann in Lederhose ohne Messer. Des ‚wär ja ein Schmarrn. Und das Abnicken, das ist eh total out. Das macht kein Mensch mehr«, erklärte ich verzweifelt.
    Blomberg und Max sagten gar nichts, sondern beobachteten Großmutter.
    »Gell, Oma, so ist das.«
    Großmutter antwortete nicht, sondern stand hilfsbereit auf, um unser Messer zu suchen. Sie riss ein paar Schubladen auf und sagte dann bedauernd: »Ich find’s nicht. Aber es hat den gleichen Griff wie des, mit dem der Wanninger erstochen worden ist.«
    Aaaaah.
    »Wir benutzen das Messer nie«, stellte ich eilig richtig. »Wahrscheinlich liegt es drunten im Keller.«
    »Geh, Mädl«, tadelte mich Großmutter. »Was sollten wir denn mit dem Nicker im Keller.«
    Aaaaah.
    Blomberg sah mich sehr freundlich an und bat mich sehr höflich, das Zimmer zu verlassen. Ich warf noch einen letzten Blick auf Großmutter. Ob sie weitere Fragen psychisch überhaupt durchstehen würde. Vielleicht gestand sie etwas, was sie später dann bereute. Der blöde Nicker, der blöde. Wieso hatten wir eigentlich Messer mit Hirschhorngriffen? Wir benutzten das Teil nie!
    Großmutter wirkte allerdings keineswegs wie kurz vor einem Geständnis. Sie sah aus, als würde sie die Stunden zusammenzählen, die sie benötigte, um unsere Küche zu entstrahlen. Ich konnte mir jetzt schon vorstellen, wie sie sich bei mir darüber beschweren würde, mit welchen elektronischen Schikanen die Polizei gegen uns vorging. Denn was sonst als eine Schikane sollte es sein, dass der Blomberg sein Handy einfach auf unseren Küchentisch gelegt hatte?
    Als Max und Blomberg gegangen waren, ging ich in die Küche, um Großmutter wieder aufzubauen. Aber das hatte sie gar nicht nötig. Als wäre nichts geschehen, polierte sie ihre Edelstahlspüle und murmelte dabei zufrieden vor sich hin. Sie schimpfte nicht einmal über das Handy.
    Auch ich schwieg. Ich versuchte nicht daran zu denken, was sich Max und Blomberg nach der Nicker-Episode zusammenreimen würden. Wütend klaubte ich ein paar verschimmelte Zwetschgen aus der Schale und warf sie in den Abfalleimer. Aber der braune Saft hatte sich schon über den Rest der Früchte verteilt. Ich sah mich um, ob Großmutter mich beobachtete, kippte alle Zwetschgen in den Abfalleimer und stellte die Schale ins Spülbecken. Eingematschte Zwetschgen schmecken scheußlich, finde ich. Zwetschgen schmecken auch scheußlich, wenn sie im Saft von verfaulten Zwetschgenkollegen gelegen haben. Zwetschgen wegzuwerfen ist leider eine der 35 großmütterlichen Todsünden.
    Diese blöde

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