In Ewigkeit, Amen
zu der Rosl und dem Polizeiwagen dazurechnen. Wobei die Rosl subtiler ist und wenigstens für einen betet, wenn sie meint, es wäre notwendig. Und das war es eigentlich immer. Dagegen ist die Bet fast bösartig gut. Das hat die Anneliese nie verstanden, was bösartig gut ist. Aber ich fand schon immer, dass es Leute gab, die in ihrem Gutsein bösartig waren. Zu all denen, die Fehler hatten. Also zu allen normalen Menschen. Sünde ist ja im Prinzip was ganz Normales.
»Ich durchsuche den Müll«, sagte ich schließlich doch.
»Vom Metzger?«, fragte die Rosl erstaunt.
»Ja. Mich würde nämlich schon interessieren, wo er das Fleisch hinwirft, das er nicht verkauft.«
»Geh. Mädl. Des tut der doch in den Leberkäs. Oder ins Hackfleisch.«
Pfui Teufel. Da wusste ich ja gleich, was ich demnächst nicht kaufen würde. Die Rosl sah dagegen aus, als fände sie es extrem eigenartig, den Müll anderer Leute zu durchsuchen.
»Wenn die eigene Familie mit drinsteckt«, sagte die Rosl schließlich. »Ist schon schlimm.«
Drinsteckt? Wo steckten wir mit drin? Sie konnte doch nicht allen Ernstes meinen, dass Großmutter am Wanninger-Mord beteiligt war. Aber so ist das im Leben. Nachdem ich ja schon einmal eine Leiche gefunden hatte, ausgerechnet den Mesner, und wir damals schon die Hauptverdächtigen waren, war es doch ein logischer Rückschluss, dass wir auch mit dem Organisten-Mord zu tun hatten. Organist und Mesner. Jacke wie Hose.
»Heilige Maria Mutter Gottes«, sagte sie. Der Stoßseufzer war mir auch gerade gekommen, als ich sah, dass auch noch die Bet angesegelt kam. Ob ich es mit beiden aufnehmen konnte, war total ungewiss.
»Vielleicht solltst dich mehr um die Wawa kümmern.«
Die Wawa, das war die Großmutter.
»Grüß dich, Lisa«, sagte die Bet und betrachtete mich mit stechendem Blick.
Oh, oh.
Genau dieser Blick. Das war dieser bösartig gute Blick, der das Schlimmste ankündigte. Vermutlich würde ich in den nächsten zehn Sekunden des Mordes überführt werden. Oder zumindest des Kurtisanentums, des unchristlichen Verhütens und des falschen Mülltrennens.
»Grüß dich, Bet«, antwortete ich. Vielleicht sollte ich doch öfter Rosenkranzbeten gehen. Dann hätte der liebe Herrgott vielleicht Erbarmen und würde nicht gleichzeitig die Rosl und die Bet auf mich hetzen.
»Herr Jesus Christus, führe mich von meinen Irrwegen zurück auf den Weg der Wahrheit und des Lebens«, rasselte die Rosl und trat dann noch einen Schritt näher auf mich zu. »Ist doch komisch.«
Ja. So konnte man das sagen. Denn dieser Blick bewirkte, dass mir flau im Magen wurde und ich mich fragte, ob ich wirklich niemals ohne Messer in die Kirche gegangen war. Vielleicht hatte ich es nur vergessen, so wie Großmutter ständig vergaß, was sie schon gemacht hatte und was nicht. Und was sie nur fiktiv gemacht hatte.
»Ist doch komisch, der Pudschek tot. Der Wanninger tot.«
»Und?«, fragte ich. Pudschek tot. Was fiel ihr nur ausgerechnet der Pudschek ein? Ich verkniff mir angestrengt mein Pudschek-Gefühl und befreite meinen Hund ziemlich umständlich vom Laternenpfahl.
»Weißt noch, wie der Pudschek g’storben is?«, flüsterte sie. »Ich bekenne meine Sünden und bereue sie, weil sie mich von dir fernhalten.«
Ich merkte, dass mir furchtbar blümerant wurde. Dieses Gespräch auf nüchternen Magen war mehr, als mir gut tat.
»Nein. Keine Ahnung«, erwiderte ich ruppig. »Wie ist er denn gestorben?«
Die Rosl sah mich an, als wäre es ihr ein Rätsel, dass ich mich nicht mehr erinnern konnte. Sie hob ein wenig die rechte Augenbraue, um zu prüfen, ob mein Erinnerungsverlust echt oder gespielt war. Als ich in Rosis Augen blickte und gleichzeitig an den Pudschek dachte, begann sich in meinem Kopf etwas zu verselbstständigen. Die Rosl. Genau so war es gewesen. Da war die Rosl gestanden, starr und steif, und das Einzige, was sich an ihr bewegt hatte, war ihr Kopftuch, an dem der Wind riss. Wie eine Statue, so bewegungslos hatte sie die rechte Hand vor dem Mund, als könnte sie nicht glauben, was sie eben gesehen hatte. Du bist schuld, hörte ich eine Stimme in meinem Kopf. Hättest du nur nicht . . . Hier riss sonst immer die Erinnerung ab. Aber nun lief der Film ein Stück weiter, als hätte die Rosl meinen Gedanken einen gehörigen Tritt versetzt. Denn jetzt stand der Wanninger neben der Rosl. Sein Blick war beunruhigend klar, und irgendwie wusste ich, dass er genau in meine Richtung sah. Und dass er wusste, dass der
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