In Ewigkeit, Amen
der Bevölkerung.
»Stell dir das einmal vor. Was da alles ans Licht kommt«, erklärte sie empört.
Ans Licht kommt? Das konnte wirklich gruselig werden. Ich versuchte sie vorsichtshalber abzulenken. Manchmal war es besser, nicht zu wissen, was andere Leute in ihren Mülltonnen hatten.
»Hinweis aus der Bevölkerung?« Ich sah nicht auf, sondern schüttete Wasser in die Maschine hinein. Und noch immer kam braunes Wasser mit Bröseln heraus.
»So wird des nix«, sagte Großmutter kopfschüttelnd, als sie mir zusah.
Ich sagte gar nichts. Dass sie schon wieder Kaffee in der Maschine hatte detonieren lassen, würde sie strikt von sich weisen. Geh, Mädl, hätte sie dann gesagt. Ich hab schon wochenlang keinen Kaffee mehr getrunken. Des neumodische Zeug, des neumodische.
»Irgendjemand hat halt angerufen«, Großmutter schien was anderes auf der Seele zu brennen. »Und weißt, was sie beim Pfarrer in der Mülltonne gefunden haben?«
Pfarrer? Ich drehte mich mit offenem Mund zu ihr um. Das konnte nicht wahr sein. Akkurat der Daschner. Das hätte ich ihm nie zugetraut! Schließlich war er ein katholischer Priester, der voll und ganz in seiner Gemeindearbeit aufging.
»Beim Pfarrer? Blutverschmierte Kleidung?«, stieß ich ungläubig hervor. Untergang des Abendlandes.
»Ah, geh, Mädl«, sagte Großmutter missbilligend. »Doch nicht beim Pfarrer. Wo denkst denn hin.«
»Du hast doch gesagt, beim Daschner in der Mülltonne«, motterte ich leise und schüttete wieder Wasser in die Espressomaschine.
Großmutter schüttelte den Kopf. »Die blutverschmierte Schürze ham s’ bei der Bet g’funden.«
»Nein!«, stieß ich noch ungläubiger hervor und kippte eine ganze Ladung Wasser daneben. »Die Bet!«
Großmutter schien mit meiner Reaktion trotzdem nicht hundertprozentig zufrieden zu sein, denn sie schüttelte weiter den Kopf. »Aber die Schürze ist nicht von der Bet, sondern vom Metzger.«
»Ausgerechnet die Bet!« Ich warf ein Geschirrtuch in die Wasserlache. Die Bet war katholischer als der Papst, sozusagen. Wenn das ging.
»Sag mal, hörst du überhaupt zu?«, fragte Großmutter empört. »Die Schürze war nur in Bets Mülltonne. Weil der Metzger wieder Müllkosten sparen wollt, wahrscheinlich. Erst neulich hab ich g’sagt, der schürt doch wieder Joghurtbecher ein. Nur, damit die kleine Mülltonne reicht. Des riecht man doch. Aber des is dem Metzger wurscht.«
»Der Metzger«, wiederholte ich ungläubig. Die Bet als Mörderin konnte ich mir tatsächlich nicht vorstellen. Aber der Metzger, der war ein anderes Kaliber. »Was hatte der denn gegen den Wanninger?«
»Ach geh. Gar nichts.« Sie schnaubte verächtlich durch die Nase. »Geh, Mädl, wo denkst denn hin. Des Blut ist doch von dene Viecha.«
Ich beschloss, nichts mehr zu sagen. Ob das Blut von »dene Viecha« war, würde ich erst glauben, wenn die Analyse von der Polizei da war. Das hörte sich doch sehr verdächtig an. Und es klang logisch. Der Metzger geht in die Kirche, zieht seine Schürze an, ersticht den Wanninger. Blut spritzt. Er reißt sich die Schürze vom Leib. Und steckt die Schürze bei der Bet in den Mülleimer. Total logisch. Schließlich wohnt die Bet direkt gegenüber von der Kirche, und das war die schnellste Möglichkeit, so eine blutige Schürze zu entsorgen. Und wie raffiniert von dem Metzger. Die geschickteste Tarnung, die man haben konnte. So als Metzger hatte man doch immer eine Ausrede. Und es war ja allgemein bekannt, dass Metzger gerade mit Messern weniger Hemmungen hatten als andere Leute.
Nun ja. Ganz logisch war es nicht. Denn so wie jeder in der Gemeinde unsere Weihwasserflasche kannte, so kannte natürlich auch jeder die Schürzen vom Metzger, egal, in welcher Mülltonne man das Zeug fand. Aber man konnte auch von einem Metzger nicht erwarten, dass er sich nach einem Mord ausgesprochen logisch und vernünftig verhielt.
Ich drehte mich zur Espressomaschine und machte mich wieder an die Arbeit. So doof konnte der Blomberg ja gar nicht sein, dass er diesen offensichtlichen Hinweisen nicht nachging. Ärgerlich knirschte ich mit den Zähnen. Wenn ich wenigstens darüber hätte schreiben dürfen. Aber nicht mal das! Weil mein Chef gesagt hatte, dass ich zum inneren Kreis der Verdächtigen gehöre. »Innerer Kreis der Verdächtigen?«, hatte ich empört gefragt. »Zeugin. Ich bin eine Zeugin!«
Er hatte mir aber nur freundlich zugenickt, als hätte er Angst, ich könnte ein riesiges Messer aus meiner überdimensionalen
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