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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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greißlicher.
    Obwohl natürlich fast alle Rosenkranztanten moderne Stücke schrecklich fanden, versuchte ich Großmutter in Schutz zu nehmen. Um ehrlich zu sein, fiel mir aber keine ein, die mit solcher Inbrunst gegen diese Orgelstücke gewettert hatte wie Großmutter.
    Ich schob mich in die verräucherte Wirtsstube vom Schmalzl-Wirt. Hinter dem Tresen stand seine Schwiegertochter und sah mich mürrisch an. Direkt über ihr hing ein riesiger, glänzender Fischkopf mit weit aufgerissenem Maul. Bevor ich etwas sagen konnte, kam hinter mir der Xaver Troidl herein. Er schob sich so schnell hinter einen Tisch, dass ich nur einen kurzen Blick auf seine Kleidung erhaschen konnte. Er hatte einen Mantel an, darunter etwas, das wie ein Rock aussah, und seltsame Schuhe. Ich starrte eine Weile in seine Richtung, aber er sah mich nicht an.
    Das ist unhöflich, hörte ich meine Großmutter im Geiste. Man starrt andere Leute nicht an. Aber was sollte man sonst machen, wenn es einen interessierte, was der Kerl anhat? Trug er nicht etwas weites Flatterndes unter seinem Mantel? Etwas, das verdächtig nach Rock aussah?
    Als ich mich wieder zur Schmalzl-Schwiegertochter umdrehte, war sie verschwunden, obwohl der Troidl als Gast da war. Ich starrte eine Weile unschlüssig auf den Fischkopf und verkniff es mir, in die Knie zu gehen, um unter dem Tisch sehen zu können, was der Troidl trug. Schließlich war es spannend zu wissen, ob er nicht doch ein Transvestit war, der im Kleid zum Essen ging. Aber er weigerte sich beharrlich, aufzustehen und den Mantel abzulegen. Die Schuhe, die er anhatte, sahen jedenfalls aus wie die Dinger, die die Leute im Hallenbad tragen.
    Schließlich kam die Schmalzl-Schwiegertochter wieder, in einer Hand einen Teller gemischten Braten und zwei Knödel, in der anderen einen Krug Bier. Anscheinend aß der Troidl immer dasselbe und musste gar nicht mehr bestellen.
    Dann kam der Schmalzl-Wirt und sah mich mürrisch an.
    »Was halten Sie von dem Rauchverbot in Gaststätten?« fragte ich brav und zückte den Bleistift. Das war ungefähr so, als würde man den Kreiter fragen, was er davon halten würde, wegen ein paar blöder Kiebitze seine Wiese vier Wochen später zu mähen. Der Kreiter würde rot anlaufen und zu schreien anfangen.
    Der Schmalzl-Wirt fing nicht zu schreien an, jedenfalls nicht sofort. Er sah mich an, als hätte ich ihn gefragt, was er über Dimensionslöcher und die Zeit-Raum-Problematik denke. Die Schmalzlin war sofort in die Küche zurückgekehrt, um zu diesem Thema keine Meinung äußern zu müssen. Die Meinung des Schmalzl-Wirts zum Rauchverbot war dagegen ziemlich ausführlich, langatmig, sehr negativ und überhaupt nicht geeignet, zitiert zu werden. Das einzige zitierfähige Wort war »Spielverderber« gewesen. Zudem lief er nach einer Weile richtig rot an, wie es auch dem Kreiter passiert wäre.
    Ich beschloss spontan, dass das Interview lang genug war. Kurz überlegte ich noch, ob ich auch den Troidl interviewen sollte, als Zeitzeugen, oder so. Aber der Troidl sah derart stier in seinen gemischten Braten, dass ich die Idee verwarf. Mehr als vier Zeilen war der Artikel ohnehin nicht wert, musste ich mir eingestehen.
    Der Schmalzl ging zum Troidl hinüber und ließ mich einfach stehen. Ich konnte es mir nicht verkneifen, wieder in Troidls Richtung zu schauen. Aber man konnte wirklich nicht sehen, was er anhatte. Der Schmalzl zuckte kurz mit dem Kinn nach oben.
    »Und, wie ist dein Quick?«, fragte er als Einstieg.
    Der Troidl verzog seinen Mund und wiegte den Kopf bedächtig hin und her. »Dreißig«, sagte er knapp, als würde das alles sagen. »Und deiner?« Er zuckte auch mit dem Kinn kurz nach oben.
    »Vierzig«, sagte der Schmalzl missmutig und kurzangebunden.
    Daran musste ich mich noch gewöhnen. Dass Männer ab einem bestimmten Alter Blutwerte austauschten, statt sich übers Wetter zu unterhalten. Oder wie die Bayern wieder Fußball gespielt hatten.
    Ich starrte eine Weile schlecht gelaunt auf den Rücken vom Schmalzl. Journalistik war wirklich kein Honiglecken in unserem Dorf. Wenn der Kare gekommen wäre, hätte der Schmalzl ihm bestimmt ein Bier spendiert und zitierfähig geredet. So ein Depp.
    »Des Bier, des treibt«, sagte der Troidl und stand auf, um auf die Toilette zu gehen.
    Ich drehte mich schnell um. Na prima. Blutwerte waren ja noch o. k. Aber über ihre Ausscheidungen wollte ich wirklich nichts wissen. Da mich keiner mehr beachtete, ging ich nach draußen, um meine

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