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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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Lungen nicht noch mehr durch Passivrauchen zu schädigen, und wartete darauf, dass mir etwas einfiel.
    Quick, fiel mir ein. Das hatten sie bei Pudscheks Tod auch gesagt. Mei, der hat halt Marcumar g’nommen. Oder so ähnlich. Dass mir einmal der Schmalzl gedächtnismäßig auf die Sprünge helfen würde, wer hätte das gedacht.
    Marcumar? Ich machte mir eine Notiz in mein Heftchen, in dem nur wild umkringelt »Interview Rauchverbot« stand. Was war Marcumar? Vielleicht sollte ich noch einmal in die Redaktion fahren und ein bisschen im Internet surfen.
    Als ich draußen eine Weile frierend stand, noch immer unschlüssig, was ich zur Bereicherung meines Artikels machen könnte, kam der Troidl raus. Der Troidl. Mir fiel wieder ein, dass er dem Metzger mit dem Kopf voraus in den Bauch gerannt war, und ging ihm aus dem Weg. Ich hatte keine Lust, mich über seinen Rücken zu erbrechen. Er ging aber zielstrebig und wortlos auf seinen Traktor zu und kletterte hinauf. Ich starrte ihm ungeniert auf die Beine.
    Mann. Oh. Mann.
    Er trug kein Kleid unter seinem olivgrünen Parka. Es war ein blaurot gestreifter Bademantel. Ich musste mich darauf konzentrieren, den Mund nicht offen stehen zu lassen. Der Troidl wieder.
    Ich konnte das ja gut verstehen. Manchmal hatte man Tage, da lief man den ganzen Tag im Schlafanzug herum und konnte sich nicht aufraffen, endlich mal die Zähne zu putzen. Bei mir zu Hause ging das natürlich nicht, denn Großmutter nörgelte so lange an einen hin, bis man endlich die nötigste Morgenhygiene hinter sich gebracht hatte. Und im Schlafanzug zum Schmalzl-Wirt zu gehen war natürlich vollkommen undenkbar. Geh, Mädl. Wie schaut denn des aus!
    Komisch. Echt. Das schaut echt komisch aus.
    Aber der Troidl hatte schon lange keine Großmutter mehr. Und seine Frau war auch nicht mehr da. Vielleicht, weil er ständig im Schlafanzug herumlief. Jedenfalls lebte er alleine auf seinem Hof und ging anscheinend hin und wieder zum Schmalzl, um wortlos seinen gemischten Braten zu essen und Quick-Werte auszutauschen.
    Ich sah ihm zu, wie er sich in den Sattel seines alten Lanz Bulldogs schwang. Die Bet würde wieder sagen, da fehlt die ordnende Hand einer Frau. Die hätt nämlich g’sagt, so gehst ma du ned aus dem Haus. Denn ein klein bisschen erinnerte er an die Leute auf dem Gang eines Krankenhauses. Dort, wo man mit gelben Beutelchen spazieren ging. Mutig stellte ich mich neben seinen Bulldog. Wer Journalist werden will, muss Mut zeigen. Der durfte sich nicht davon abschrecken lassen, dass jemand im Bademantel auf einem Traktor saß. Der durfte nicht die Panik kriegen, wenn das Wort »Nichtraucher« eine cholerische Aneinanderreihung von unnennbaren Schimpfwörtern auslöste.
    »Was is?«, fragte er mürrisch.
    »Was halten Sie von einem Rauchverbot in Gasthäusern?« Ich betrachtete seine nikotingelben Finger und dachte mir selbst eine Antwort aus. Ob irgendjemand schon einmal die Feinstaubbelastung beim Schmalzl-Wirt gemessen hatte? Vielleicht bekam man ja allein vom Passivrauchen schon so gelbe Finger.
    Der Troidl sah mich eine Weile an. Ich zwang mich, stur in seine Augen zu schauen und mir einzureden, dass Badeschlappen schließlich besser zu einem Bademantel passten als Gummistiefel.
    »Orgelspielen ist weniger g’sund«, sagte er schließlich, und sein Blick hatte etwas Berechnendes.
    Ich vergaß zu schlucken. Nicht schwächein, Lisa, befahl ich mir und fixierte ein geplatztes Blutäderchen in seinem linken Auge.
    »Wie meinen Sie denn das?«, fragte ich nach. Ich kam mir ziemlich mutig vor. Schließlich riskierte ich, dass er mir den Kopf in den Bauch rammte.
    »Da könnte ich dir was zeigen«, sagte er dann noch. Der Rest des Kommentars ging in dem lauten Motorengeräusch unter. Er tuckerte, ohne sich noch einmal umzusehen, davon.
    Ich stand frierend vor dem Schmalzl-Wirt und sah dem alten Bulldog hinterher. Er könnte mir was zeigen? Ich hatte ein wirklich komisches Gefühl. Ich musste zweimal schlucken, damit der ganze Speichel aus dem Mund weg war. Eins wusste ich sicher, der Troidl war ein schlechter Verlierer. Und er konnte nicht so lange schreien und springen wie der Metzger. Und seine Frau, die war plötzlich weg gewesen. Ich wollte mir von einem Mann, der im Bademantel zum Schmalzl-Wirt ging, und dessen Frau plötzlich weg gewesen war, nichts zeigen lassen. Es könnte etwas sein, was kein Mensch sehen will.

6  
    Der goldene Oktober war vorbei, ein eisiger Windstoß jagte den nächsten. Wir

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