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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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konnte. Und in der Hoffnung, sie würde nicht lang und breit über das Gräberstehen reden.
    Als ich schnell zu ihr hinübersah, sah sie aus, als würde sie gerade »der greißliche Wanninger der greißliche« denken. Dann nickte sie aber. »Dass des mit den Orgelspielern bei uns immer so a schlimms End nehmen muss«, seufzte sie schließlich, als wäre schon der zehnte Organist erstochen worden.
    »Der Troidl war auch drin. Er hat g’sagt . . .« Sie machte eine bedeutungsschwangere Pause. »Der Wanninger ist bissen worden.«
    Gebissen? Der Wanninger?
    »Von einem Hund?«, fragte ich nach. Meiner war’s jedenfalls nicht. Und der Gummi-Quietschenten-Köter von der Resi bestimmt auch nicht.
    »Von einem Menschen«, antwortete sie dramatisch auf Hochdeutsch. Sie sah sehr zufrieden aus.
    Ich versuchte, nicht gegen den nächsten Laternenmast zu fahren. Von einem Menschen? Jemand hatte den Wanninger gebissen? Das war ja wohl die Höhe!
    Der Max. Der Depp. Der hatte doch den Bericht aus der Pathologie bestimmt schon ewig. Und was musste ich machen, um an die Ergebnisse zu kommen? Ich musste die Langsdorferin durch die Gegend fahren und hoffen, dass sie beim Metzger die nötigen Details erfuhr. Ich konnte mir gut vorstellen, was er mir sagen würde, wenn ich ihm das vorhielt. Dass er mir doch unmöglich die Ergebnisse aus der Pathologie mitteilen konnte. Unmöglich.
    Also wirklich. Die ganze Ortschaft wusste es, nur ich nicht, weil ich mit dem Herrn Kommissar ins Bett ging. Das war doch keine Logik, oder?
    »Und wohin?«, bohrte ich weiter, obwohl ich mich damit natürlich als unwissend outete und die Langsdorferin im Ort verbreiten würde, dass es in meiner Beziehung bereits erste Unstimmigkeiten gab. Wobei sie damit natürlich recht haben könnte. Spätestens heute Abend würden wir große Unstimmigkeiten haben. Hatte man Töne!
    »In die Hand«, erklärte sie in geheimnisvollem Tonfall.
    Ja, pfui Teufel.
    »Und wer hat ihn gebissen? Der Mörder? Vor dem Tod? Nach dem Tod?«
    Die Langsdorferin sah vorwurfsvoll aus. »Wärst halt selber mit reingangen. Ich kann doch ned an alles denken.«
    Fand ich schon. Wenn man eine richtige Ratschkatl war, dann sollte man schon an alles denken. Und wann der Biss stattgefunden hatte war ungemein wichtig. Obwohl das natürlich vorher wie nachher reichlich pervers war.
    »Vielleicht wissen die des noch ned«, mutmaßte sie, um ihre Ehre zu retten.
    Schmarrn. Natürlich wussten die das. Die Pathologen, würde der Kreiter sagen, des sind Hund. Die krieg’n alles raus. Da brauchst nicht meinen.
    Während ich die Langsdorferin nach Hause brachte, dachte ich nur daran, was dieser Handbiss zu bedeuten hatte. Nachdem ich sie abgeliefert hatte, kochte noch einmal mein Hass auf Max hoch. War das die Möglichkeit!? Das wusste er doch bestimmt schon zwei Tage! Wir hatten jeden Tag . . . na ja. Also Kontakt gehabt. Auch wenn wir uns hauptsächlich nonverbal beschäftigt hatten, hätte er doch wenigstens eine Andeutung machen können. Wir waren zwar abgelenkt gewesen, aber mir an seiner Stelle wäre dabei nie entfallen, dass ich den Autopsiebericht bekommen hatte.
    Ich fuhr viel zu schnell in die Kurven. Ich fuhr immer zu schnell, besonders in die Kurven, wenn ich abgelenkt war. Außerdem dachte ich viel zu viel an andere Dinge. An den Blick von der Lehmerin, als ihr gesunder »Wastl« nun endlich während der Messe orgeln durfte. Dieser Blick, der besagte, dass sie es nun geschafft hatte. Dass sie stolz war. Und dass alle Mühen gerechtfertigt waren, die sie bis jetzt auf sich genommen hatte.
    Ich bremste heftig, als ich Großmutter am Straßenrand sah. Was rannte sie in letzter Zeit eigentlich so häufig ins Dorf und in die Kirche?
    Großmutter riss die Autotür auf, ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und stöhnte ein wenig. »Weißt du, wo unsere Weihwasserflasche ist?«, fragte sie statt einer Begrüßung.
    »Kauf halt eine neue«, sagte ich statt einer Antwort.
    Sie warf mir einen Blick zu, als hätte sie mich der Blasphemie überführt. Es soll ja schon Leute gegeben haben, die während einer Gotteseingebung jemanden umgebracht haben. Natürlich nicht Großmutter. Großmutters Gotteseingebungen waren immer friedlicher Natur. Ich habe noch nie gehört, dass sie so etwas gesagt hatte wie: Der Wanninger ist der personifizierte Satan.
    »Weißt du, wie der Orgelschlüssel vor unser Gartentürl kommt?«, fragte ich.
    »Wird ihn halt einer verloren haben«, sagte sie. »Geh, Mädl, fahr zu.

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