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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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und schrie jeden Baum an: »Ich seh dich schon, komm hervor, du elendiger Krippl! Mich kriegst ned!« Manchmal hörte man ihn angeblich auch schreien: »Ich bin bewaffnet! Kommt s’ nur her!« Ob das bei einem Serienmörder half, war fraglich. Jeder wusste, dass der Loisl unbewaffnet war und leicht in die Knie ging. Die Rosenkranztanten waren jedenfalls der Meinung, dass es ziemlich herzlos von der Polizei war, den Loisl nicht nach Hause zu eskortieren.
    »Weißt, was der Schorsch g’macht hat? Setzt sich in den Streifenwagen und schaltet das Blaulicht ein.«
    Stimmt. Das war die totale Verschwendung von Steuergeldern. Er hätte dem Fischer Loisl sagen sollen, er soll sich nicht so anstellen und heimgehen.
    »Dann war der Kerl natürlich weg, der den Loisl verfolgt hat.«
    Genauso wie all die weißen Mäuse, Nikoläuse und kosmischen Buckelzirpen, die um den Loisl gehüpft sind.
    »Und des war natürlich Absicht, von dem Schorsch«, klärte mich Großmutter auf. »Der hat sich denkt, ich fahr doch ned hin und lass mich von irgendeinem Kerl hauen, der den Loisl verdreschen will.«
    Das würde ich auch nicht wollen. Aber ich konnte mir gut vorstellen, dass der Schorsch ungemein scharf drauf war, endlich mal die Sirene auf volles Rohr zu schalten. Das passierte bei uns nämlich fast nie, dass die Sirene notwendig war. Weil sowieso nie etwas passierte, wenn nicht gerade ein Organist erstochen wurde.
    Da wurde dann natürlich wegen jeder Kleinigkeit das Blaulicht eingeschaltet. Wenn der Rechen vom Kreiter umfiel, beispielsweise, und die Rosl dabei erschrak, dann war das ein Fall für die Sirene.
    Großmutter motterte weiter vor sich hin. »Da schalt ich lieber die Sirene ein, hat er sich bestimmt gedacht, dann sind s’ alle weg, bis ich komm.«
    Ich nickte nur. Über solche Kleinigkeiten sollte man sich nicht streiten. Und man sollte sich nicht mit den Außerirdischen anlegen, die den Loisl verfolgten. Dann lieber die Sirene an.
    »Und die Bet, die hat mit dem armen Loisl überhaupt kein Mitleid. G’schaut hat s’ wieder. Wie der Teufel vom Dreiwegener Kreuz«, schimpfte sie weiter. »Wenn er halt Angst hat, der arme Bub. Vor dem Massenmörder.«
    Dem Massenmörder, der bei uns alle paar Tage einen Organisten umlegte. Wenn ihm die Organisten ausgingen, waren die Straßengrabenlieger dran. Ich verdrehte unauffällig die Augen.
    »Ich war grad beim Troidl«, sagte ich so in den Raum hinein. »Der ist auch arm dran, grad wie der Loisl, so ganz ohne Frau.«
    Sie sah von der Bedienungsanleitung ihres Strahlenapparats nicht auf, murmelte nur etwas vor sich hin und drückte dann auf eine Taste.
    O.k. Anscheinend hatte sie keine Lust, meinen Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen. Eigentlich hätte an dieser Stelle die Erklärung kommen können, wieso Troidls Frau nicht mehr auf seinem Hof wohnte. Dann eben nicht. Mich störte mehr, dass ich in letzter Zeit das Wort »Dreiwegener Kreuz« öfter hörte, als mir lieb war. Letzte Nacht war aus ihrem Gemurmel schon wieder dieser Teufel herauszuhören gewesen. Der Teufel vom Dreiwegener Kreuz, das war so etwas wie – ja, vielleicht wie die Geschichte mit dem Fischer Loisl. Wenn einer besoffen war, dann immer wie der Fischer Loisl. Mei, so ein Loisl, hieß es dann. Und jeder wusste, was Sache war. Total voll bis oben hin. Und wenn jemand ganz besonders grimmig aussah, dann sah er aus wie der Teufel vom Dreiwegener Kreuz. Das Kreuz stand an einer Stelle, wo drei Wege aufeinandertrafen. Das war schon immer die größte Gruselstrecke im Wald. Großmutter liebte es natürlich, diese Strecke zu gehen, bei dem Kreuz mitten im Wald stehen zu bleiben und die eingeschnitzten Figuren zu betrachten. Und eine dieser Gestalten war eben der Teufel, der so grimmig aussah, dass ich nach jedem Spaziergang eine Woche lang Albträume hatte. Sein Gesicht war grob geschnitzt und so fratzenhaft, dass jedes normale Kind Albträume bekommen hätte. Und dann ich erst, wo ich mich doch ständig gruselte.
    Nicht so Großmutter. »Der Teifel, der greißliche«, sagte sie stets zufrieden. »So ein greißlicher Teifel.« Dieser »greißliche Teifel« hat sie immer so sehr erfreut, dass sie ihn in allen Leuten wiederfand, die sie nicht leiden konnte.
    Ganz oben am Kreuz saß ein kleiner Engel. Der sollte eigentlich mild und lieblich schauen. Aber das war nicht so recht gelungen, weil er eine ziemliche Ähnlichkeit hatte mit dem Teufel, der unter ihm saß. Ich dachte immer, das hatte damit zu tun, dass der

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