In Ewigkeit, Amen
wenn mir jemand über die Schulter guckt. Und ich kann’s nicht leiden, wenn ich etwas nicht schneller kapiere als der Abschlepp-Kare.de.
»Klar.« Anscheinend enttäuscht, dass ich mich doch nicht für Pornos interessierte, setzte er sich auf die Schreibtischkante neben mich.
»Mein Großvater musste Marcumar nehmen. Das ist ein Blutverdünner. Und den Quick-Wert musste er ständig messen, damit man wusste, wie stark das Blut verdünnt war.«
Der Wahnsinn. Der Kare hatte also doch was im Hirn. Vielleicht sah er sich im Internet auch nicht nur Sex-Seiten an.
»Blutverdünner?«, fragte ich dann doch nach. »Wieso sollte er sein Blut verdünnen?« Das klang doch eigenartig.
Er zuckte mit den Schultern. »Nach seinem Schlagerl.« Das ist ein kleiner Schlaganfall. So einer, nach dem man noch lebt und nur ein paar Sprachstörungen hat. »Damit das Blut durch die verstopften Adern passt.«
Hm. Das klang logisch. Der Schmalzl sah nämlich so aus, als wäre er ganz nah dran an einem Schlagerl. Er hatte immer ein hochrotes Gesicht und war irgendwie tonnenförmig. Der Troidl hingegen sah nicht nach einem Schlagerl aus. Aber vielleicht verstopften die Adern auch, wenn man nicht dick war und hohen Blutdruck hatte. Und der Pudschek?
»Oder, wennst an Herzkasperl g’habt hast«, fügte er noch hinzu und hustete wieder ziemlich ekelig.
Das war ein leichter Herzinfarkt.
An einem Schlaganfall war der Pudschek jedenfalls nicht gestorben, das wusste ich sicher. Wieso ich das wusste, fiel mir im Moment nicht ein, aber ich war mir sicher. Schließlich war ich ja irgendwie an seinem Tod schuld . . . Mein Herz fing zu rasen an. Aber Aufregung konnte auch einen Herzinfarkt verursachen. Vielleicht hatte ich den Pudschek so geärgert, dass er einen Herzkasperl bekommen hatte? Vor meinen Augen hüpften hell leuchtende Punkte auf und ab.
»Mit Sex ist es dann schlecht«, mutmaßte der Kare. »Wenn du dich zu heftig anstößt, kannst verbluten.« Das Grinsen in seinem Gesicht hatte etwas Gartenzwerghaftes.
Genau das Thema, über das ich heute Abend mit ihm plaudern wollte. Woher wusste er das nur? Bevor er noch weitere schweinische Details über seinen Großvater ausplaudern konnte, schaltete ich den Rechner aus.
»Ich muss dann weiter«, sagte ich freundlich. Immerhin hatte er mir den Quick-Wert erklärt. Und mein Herzschlag war auch wieder ganz normal. Ich packte schnell meine Tasche und überließ Abschleppkare seinem Computer.
»Ja. Da ist die Bet hing’fallen.« Großmutter legte einen Finger auf die Bibelstelle, die sie gerade gelesen hatte. »Mei, und g’schrien hat s‘ Und keiner da. Von den Erwachsenen. Und der Pudschek, keinen Finger hat er gerührt. Einfach weiter. Stell dich nicht so an, hat er gesagt. Stell dich nicht so an. Ich seh’s noch heute vor mir. Die kleinen Hausschuhe, die sie anhatte. So dunkelbraun und hellbraun kariert, und zwei kleine Schnallen über dem Fuß. Dort wo sie gerutscht war, lag kein Schnee mehr, da sah man, dass es glatt war. Und dann gab’s ja auch kein Telefon.«
Ich wusste, was jetzt kam. Dann musste man zur Post. Da war das einzige Telefon weit und breit. Und wenn man Glück hatte, erwischte man gleich den Doktor. Und der kam dann.
»Röntgen oder so. Das gab’s da natürlich nicht«, sinnierte meine Großmutter. Ich sah ihr an, dass sie gerade zusammenrechnete, was sich die Krankenkassen da alles gespart hatten. »Und der Doktor, der hat einmal angezogen, am Bein, dass die Bet ohnmächtig wurde. Und dann hat er gegipst. Gut, dass es wenigstens Gips gab.« Sie schwieg eine Weile. »Aber dem Pudschek, dem war das egal. Nein, dafür, dass er so oft in der Kirche g’sessen hat und immer Orgel g’spielt, hätt er eigentlich a besserer Mensch sein sollen.«
Wie das wieder Zusammenhängen sollte. Vielleicht hatte er genauso wie der Wanninger immer ADAC Motorwelt gelesen, oder noch Schlimmeres, und hatte die Kernaussagen des christlichen Glaubens deswegen komplett überhört. Kann doch passieren. Während der Predigten hat schon mancher Konzentrationsschwächen gehabt.
»Und dem Troidl seine Frau?«, kam ich wieder auf das ursprüngliche Thema zurück. Es war eigentlich die ganze Zeit um die Frau Troidl gegangen. Aber Großmutter hatte elegant die Feststellung, dass der Pudschek das Ehepaar Troidl nicht so besonders leiden hat können, genutzt, um über die Bet und den Pudschek zu sprechen. Anstatt über den Troidl Xaver und seine Frau. Vielleicht war ich gerade dabei, einen alten
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