In Ewigkeit, Amen
bisschen weit hergeholt, das mit dem Massenmord. Denn ich konnte mir gut vorstellen, dass Troidls Frau allein wegen seinem Schuhkastl das Weite gesucht hatte. Ich hätte auch keine Lust gehabt, in diesem Haushalt die ordnende Hand zu spielen.
Ich lehnte mich zurück, etwas frustriert, weil ich Großmutter zu keinen klaren Aussagen bringen konnte, und stellte mir vor, wie Max’ Wohnung langsam zu Troidls Haus mutierte und von mir erwartet wurde, dass ich dem ganzen Dreck mit Akupads zu Leibe rückte. Was für eine gruselige Vorstellung. Am sichersten war es wohl, erst gar nicht zu heiraten. Man wusste nie. Die Ehe hatte manch eigenartige Wirkung. Anneliese beispielsweise hatte 20 Kilo zugenommen. Und das Töpfern angefangen. Außerdem beschäftigte sie sich zwanghaft mit Resopalplatten.
»Was hätte er ihr denn erlauben sollen?«, fragte ich noch einmal nach. Aber Großmutter stierte immer noch in ihre Bibel und murmelte vor sich hin. Natürlich würde ich keine Antwort bekommen. Vielleicht sollte ich es einmal bei Anneliese versuchen. Sie wusste ziemlich gut über das Dorfleben Bescheid.
Ich sah Großmutter weiter beim Bibellesen zu und schloss schließlich die Augen.
So war das im Herbst. Man saß zusammen in der lautlosen Küche, nur die Küchenuhr tickte erbarmungslos. Hin und wieder hörte man eine Buchseite, die leise flüsternd umgeblättert wurde, ein herbstlicher Seufzer in der beginnenden Stille. Dann gab es nur uns zwei, Großmutter und mich, in unserer Küche, während die Natur draußen schlief. Und all der Streit und das Getratsch draußen waren so weit weg, vielleicht nur ein Gewisper wie fallendes Laub. Es war, als würde unsere Küche noch enger werden, unsere Welt noch kleiner und ich noch einsamer. Da wünschte ich mir dann, es würde draußen wieder die Sonne scheinen und ich nicht mein eigenes Gesicht in der dunklen Spiegelung des Fensters sehen. Das war Herbst. Dass man meinte, alles würde kleiner und enger. Als gäbe es die Natur gar nicht mehr, und auch keine anderen Leute. Und diese Stille, in der das Tropfen eines Wasserhahns zum Paukenschlag wurde.
Ich riss die Augen wieder auf und räusperte mich. Aber so war es nicht. Wenn ich wollte, konnte ich aufstehen und zu Max fahren. Max war zwar jetzt sicher nicht zu Hause, aber ich könnte mich bestimmt nützlich machen und irgendetwas putzen.
Ich beschloss, dass es viel angenehmer war, mich meinen Herbstdepressionen hinzugeben. Das würde mich bestimmt auch der Aufklärung dieses Falles näher bringen, als es das Putzen konnte. Depressionen brachten doch immer noch die besten Gedanken. Als glücklicher, ausgeglichener Mensch wäre ich nie darauf gekommen, dass der Troidl auch ein Massenmörder sein könnte. Ein höchst perverser Massenmörder, der seine Opfer auch noch biss.
Eine Gänsehaut lief über meinen Arm.
7
Ich habe ein sehr altes Auto, dem jede Zusatzausstattung fehlt. Zum Beispiel alle Airbags, die man sich denken kann. Kein Fahrer-Airbag, Beifahrer-Airbag. Kein Seitenaufprallschutz, oder was es sonst noch so geben mag. Manchmal mag das ja von Vorteil sein. Zum Beispiel hat vor Kurzem die Kreiterin vor lauter Lass-mich-auch-mit so scharf bei einer Kreuzung gebremst, dass es ihr den Airbag um die Ohren geblasen hat. Sie war davon allerdings hellauf begeistert gewesen. Was da alles hätte passieren können, ohne diesen Airbag. Was für einen Schutz man hatte, durch diesen Airbag. Dass sie durch diesen Airbag in die Hose gemacht hatte, hatte sie unter den Tisch fallen lassen. Das hatte unser Automechaniker dann allen erzählt, dieses Schwein. Er hat den Airbag wieder repariert und bemerkt, was der Kreiterin noch passiert war.
Nun gut. Mein Auto hatte das jedenfalls nicht. Wobei natürlich eine Standheizung zum Beispiel etwas Feines wäre. Jedenfalls, wenn man im Herbst seine Ermittlungstätigkeit aufnahm und verdächtige Objekte beschattete. Dann fror man nicht so elendiglich.
Ich hatte beschlossen, beim Tatort anzufangen. Was Besseres fiel mir nicht ein. Außerdem war ich zu feige, den Troidl Xaver noch einmal zu befragen oder wenigstens mal unter eine der vielen Planen zu gucken. Ich fror schon einige Zeit. Allein der Anblick des dichten Nebels, der alles in eine milchige Suppe tauchte, ließ mich frösteln.
Es passierte rein gar nichts. Außer, dass ich immer dringender aufs Klo musste. Die Häuser von Kathl und Bet lagen dunkel und verlassen im Nebel. Was für eine gruselige Vorstellung auch. Allein in einem Haus direkt
Weitere Kostenlose Bücher