In Ewigkeit, Amen
beschuldigt, sie zerbrochen zu haben. Und ich hatte mich nicht getraut zu sagen, dass sie in Wirklichkeit bei der Polizei war. Zu was brauchten die unsere Weihwasserflasche, fragte ich mich. Das hatte doch auf die Ermittlung überhaupt keinen Einfluss.
Oder doch?
Mir wurde wieder schlecht. Max verdrehte die Augen, als würde er unsere Weihwasserflasche unwichtig finden. Ich hoffte, dass dieses Erlebnis seine Potenz nicht beeinflussen würde.
Der Blomberg nickte wortlos und drehte sich wieder dem Schuppen zu. An einem rostigen Nagel hing eine Mausefalle, ebenfalls verrostet. Ein alter Laubrechen, verrostet. Eine Zange. Eine alte Zahnbürste mit schwarzen, ölig verschmierten Borsten. Ich sah auf den Boden und beschloss, mir nicht weiter anzusehen, was wir da drin noch alles aufhoben. Irgendwie war es mir doch etwas peinlich. Durch die Bretterwand malte die kalte Wintersonne helle Striche auf den durchgelaufenen Bretterboden, auf dem man jetzt die nassen Fußabdrücke von kondomumhüllten Männern sah.
»Was ist da drin?«, fragte Blomberg, der neben mich getreten war, und zeigte auf eine Kiste, die ganz hinten an der Wand stand. Wohl oder übel sah ich nun doch etwas genauer hin.
Es war eine alte Munitionskiste. Statt Scharnieren hatte sie Lederriemen, die sehr brüchig und hart aussahen. Ich konnte plötzlich nicht mehr schlucken. Die kenne ich nicht, wollte ich sagen. Aber mir blieben die Worte irgendwo tief unten im Kehlkopf stecken.
»Keine Ahnung«, sagte ich deshalb und atmete tief den Duft meiner Kindheit ein, den staubigen Geruch von sonnenbeschienenem Holz und vielen Spinnweben. In denen sich alles ansammelte. Gerüche, Erinnerungen, Gefühle. Gedanken.
Ich hatte eine freche Antwort auf den Lippen. Leichenteile. Da sammeln wir die ganzen Leichenteile, hätte ich gerne gesagt. Aber ich hatte plötzlich ein ganz ungutes Gefühl. Als könnte nichts so abstrus sein, als dass es sich nicht doch in dieser Kiste befinden könnte. Und der Polizistenblick von Max war plötzlich wachsam und warnend.
»Keine Ahnung«, wiederholte ich deshalb und sah Max immer noch nicht an. Ich würde sowieso nicht erkennen können, was er darüber dachte und was die beste Antwort war. Ich entschied mich für die Wahrheit. »Die gehört uns nicht.«
Das würde mir jetzt sowieso niemand glauben. Wieso sollte in unserem Gartenhäusl eine alte Kiste stehen, die uns nicht gehörte. Wieso fand ich eigentlich ständig Orgelschlüssel, Gebisse und alte Munitionskisten? Als der Polizist die Munitionskiste öffnete, verrutschte der Deckel. Er zog etwas heraus.
Einen alten Janker. Schlecht geflickt, hörte ich meine Großmutter im Geiste. Das muss er selbst gemacht haben. Keine Frau flickt so. Dem Blomberg fiel das anscheinend nicht auf, denn er sah nur mich an.
»Gehörte die Ihrem Großvater?«, fragte er.
»Ich habe keinen Großvater«, sagte ich.
»Sie hat keinen Großvater«, wiederholte Schorsch auf Hochdeutsch. Ich bedachte ihn mit einem sehr bösen Blick.
»Haben Sie die Kiste gestern Nacht in das Häuschen gestellt?«
»Nein«, antwortete ich wahrheitsgemäß. Ich sah Schorsch nicht mehr an, der Lehrgang hatte ihm gar nicht gut getan. Ich wollte gar nicht wissen, was für Rückschlüsse er sich gerade in seinem Gehirn zusammenschusterte. Und alle waren sie falsch. Da war ich mir ganz sicher.
Vielleicht waren sie aber auch nicht falsch. Vielleicht war ich eine Schlafwandlerin. Als kleines Mädchen war ich regelmäßig im Schlaf aufgestanden und hatte seltsame Dinge getan. Hatte jedenfalls meine Mutter damals erzählt. Großmutter hatte so etwas nicht erzählt. Nicht in letzter Zeit jedenfalls. Wieso fand sich aber alles bei uns wieder? Der Orgelschlüssel. Die Kiste.
In meinem Kopf dröhnte nur noch Kiste, Kiste, Kiste.
Der Mann in dem weißen Schutzanzug breitete die Jacke aus, dass man sehen konnte, wie groß sie war. Es war eine Männerjacke für einen mittelgroßen Mann. Sie sah alt aus, als hätte sie schon länger zusammengeknüllt irgendwo gelegen. Aber das war uninteressant.
Denn sie hatte ein Loch am Rücken, mit seltsam braunroten Rändern.
Ich sah nicht mehr auf die Jacke. Die Jacke ging mich nichts an. Wieso bemerkte das keiner? Wie kam es, dass die Handlung eines sehr seltsamen Filmes genau in unserem Garten stattfand? Die Sonne schien durch den Gartenzaun und malte dunkle Streifen auf den Schnee. Vom Apfelbaum war Schneenässe getropft, die ein Muster in den Schnee gebrannt hatte. Dazwischen lagen zwei
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