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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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verfaulte Äpfel. Großmutter hatte vor langer, langer Zeit alte faulige Holzstücke verwendet, um den wilden Wein abzustützen. Bei näherer Betrachtung würde er einstürzen, vielleicht auf diese Schar von misstrauischen Polizisten, dachte ich gehässig. Zur Strafe tropfte mir ein Wassertropfen aus der undichten Regenrinne ins Genick. Es war, als wäre alles nicht mehr echt. Als würde die Zeit immer langsamer ticken und sich unsere Sachen verwandeln. In lauter unbekannte Dinge. Unbekannte, gruselige Dinge. Verfaulte, unbekannte, gruselige Dinge. Ich starrte weiter auf das Muster der Wassertropfen im Schnee und fragte mich, wer vor unserem Gartenhäuschen gekehrt hatte. Der Schorsch?
    »Und wem gehört die Kiste dann?«, seufzte der Blomberg.
    Hatte ich eine riesige Sprechblase über dem Kopf, in der stand: Ich-weiß-wem-das-gehört? Die Männer sahen mich alle sehr interessiert an.
    »Dem Pudschek«, flüsterte ich schließlich. »Da hatte er seine Zigaretten drin.« Aus der Kriegsgefangenschaft, dachte ich mir und sah keinen an. Ich wollte nicht sehen, dass sie alle aussahen, als würde ich meinen Kopf abschrauben. »Die hat er gegen Brot getauscht.«
    Der Blomberg sah mich an, als wäre ich verrückt. Vielleicht war ich das auch. Ich fühlte mich jedenfalls plötzlich so komisch, als könnte ich tatsächlich verrückt werden.
    »Später hat er darin seine Orgelnoten aufgehoben. Die sind neben der Orgel gestanden. Nach seinem Tod nicht mehr. Da waren die ganzen Noten auf einem Holzstuhl gelegen, und wenn man nicht aufpasste, dann rutschten sie alle hinunter.«
    Die Männer sahen mich noch immer interessiert an. Mir versagte die Stimme. Und wenn die Noten ins Rutschen kamen, lagen sie alle durcheinander auf dem Boden. Dann hatte ich, die Lisa Wild, sie wieder alle aufheben müssen. Das sagte ich nicht mehr. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich dringend ein Alibi für den Mordtag gebraucht hätte. Wieso musste der Wanninger auch an einem Samstag ermordet werden, an dem ich nicht gearbeitet hatte?
    Hatte die Kiste hier schon immer gestanden? Damals hatte ich mich nie gefragt, wieso die Kiste plötzlich weg war. Wieso auch. Dinge verschwanden manchmal, das wusste ich aus eigener Erfahrung. Mutter zum Beispiel. Mutter war von heute auf morgen verschwunden. Da war so eine Munitionskiste eigentlich . . . Mutter. Die Munitionskiste. Großmutter. Der Pudschek. Der Janker.
    Das hing nicht zusammen.
    Wir sahen alle die Kiste an, als wäre sie des Rätsels Lösung.
    Wer sich die Kiste wohl nach seinem Tod unter die Nägel gerissen hatte? »Aber die Leut, die können alles brauchen«, hörte ich meine Großmutter sagen. Da brauchst ned meinen.
    Max lehnte an seinem Auto und beobachtete den Himmel. Die kalte Dezembersonne verschwamm in den eisgrauen Wolkenbänken zu einem hellen malerischen Klecks. Es sah so kalt aus, wie es war.
    Immerhin war ich noch nicht so stark verdächtig, dass ich mit niemandem mehr sprechen durfte. Oder sie trauten mir nicht zu, dass ich Max dazu zwingen könnte, mir sein Auto als Fluchtgefährt zur Verfügung zu stellen. Blomberg hatte anscheinend vor, noch ein Weilchen unseren Schuppen zu zerlegen. Nicht, dass ihm ein paar blutige Kleidungsstücke entgingen.
    »Ich war das nicht«, sagte ich zu Max. »Ich bin doch nicht blöd. Horch mal. Ich verstecke in unserem Schuppen doch keine Munitionskistln.«
    Etwas beleidigt horchte ich auf das Schweigen von Max. Wollte er meinen Geisteszustand nicht kommentieren? Wieso sagte er nicht, ja, Lisa, du bist nicht blöd. Du würdest das niemals machen. Wenn, dann würdest du es der inkontinenten Reisingerin in die Mülltonne stopfen.
    »Jeder kann in unseren Schuppen gehen. Du hast doch gesehen, es war nicht abgesperrt«, fauchte ich ihn an. »Und einen rostigen Nagel kann jeder umbiegen.« Vielleicht nicht der schlaue Herr Blomberg und seine kondomverschweißte Crew. Aber in unserem Dorf konnte das jeder.
    »Ich bin endgültig von dem Fall abgezogen«, seufzte er, seine Stimme klang erleichtert.
    »Gut«, seufzte ich zurück. »Heißt das, dass wir dann ohne schlechtes Gewissen Sex haben können?«
    Er grinste. »Wenn das dein einziges Problem ist.«
    »Vielleicht sollten wir gleich miteinander ins Bett gehen«, schlug ich leise vor. »Man weiß nie. Vielleicht sitze ich morgen in Untersuchungshaft. Und anschließend unverschuldet 30 Jahre im Gefängnis.«
    Max rollte wieder nur mit den Augen.
    »Wer hat mich denn gesehen?«, fragte ich.
    »Ich habe mit

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