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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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und Klopapier kaufen. Und als hätte dieser Gedanke alle wirklich wichtigen Gedanken komplett verdrängt. Und erst nachdem man im Krankenwagen liegt, fällt einem auf, dass das Klopapier vollkommen egal ist, weil man eh den Rest der Zeit mit seinem Urinbeutelchen herumlaufen wird.
    Genauso hatte ich die ganze Zeit daran gedacht, dass ich Wäsche waschen, die Wohnung aufräumen und abspülen sollte. Und erst jetzt fiel mir auf, was es bedeutete. Die Munitionskiste. Allein schon, dass diese Munitionskiste noch existierte. Und dass darin der Janker vom Pudschek lagerte. Unser Gartenhäusl. Natürlich hätte jeder die Kiste in unser Gartenhäusl stellen können. Aber wer sollte so etwas tun? Wer sollte Pudscheks Janker zwölf Jahre lang aufheben? Ich versuchte mich zu erinnern, ob ich die Kiste schon vorher in unserem Häusl gesehen hatte. Ganz hinten, unter das Regal geschoben, wo Großmutter den Krimskrams aufhob. Und den Dünger, der so stank, als würden in der Ecke mehrere tote Ratten verfaulen.
    Der Blomberg hatte noch immer diesen seltsamen Blick. Ich konnte mich nicht erinnern. Die Kiste konnte natürlich dort gestanden haben.
    »Das ist nicht unsere Kiste«, sagte ich leise.
    »Wie lange stand sie schon da?«, fragte er.
    Ich zuckte mit den Schultern. Das würde er mir eh nicht glauben. Sah es in unserem Geräteschuppen so aus, als wäre ich da besonders häufig? Ich bin noch nie gerne in den schmalen Geräteschuppen gegangen. Mir war als Kind einmal ein Ohrwurm auf den Kopf gefallen, und ich hatte panische Angst gehabt, dass mir der tatsächlich ins Ohr lief. Anneliese hatte nämlich behauptet, dass diese blöden Viecher in einer irrsinnigen Geschwindigkeit ins Ohr schlüpfen und sich dann so lange weiterbohren, bis sie im Gehirn angekommen sind. Und ich stelle mir nichts schlimmer vor, als wenn man ständig das Gekrabbel im Hirn spürt, das Kratzen und Wutzeln eines Ohrenhüllers. Ich hatte so lange geschrien, bis mir Großmutter den Ohrenhüller vom Kopf genommen hatte. Beinahe hätte sie mir noch eine Ohrfeige gegeben, wegen sinnlosen Brüllens.
    Ich war jedenfalls nur in den hintersten Winkel des Schuppens unter das niedrige Brett gekrochen, wenn mich Großmutter gezwungen hatte, und das hat sie schon ewig nicht mehr getan.
    Die Kiste konnte dort also schon ewig stehen. Ich versuchte nicht daran zu denken, was das bedeutete. Dass Großmutter die Pudschek-Kiste aus der Kirche geholt hatte, damals vor zwölf Jahren. Dass sie den Janker, in dem der Pudschek gestorben war, hineingelegt hatte, sorgsam gefaltet. Aufgehoben. Wie etwas, das wert war, aufgehoben zu werden.
    Wie eine Reliquie.
    Eine Pudschek-Reliquie. Der Janker, in dem er gestorben war. Mich überlief es kalt.
    »Ich war da schon ewig nicht mehr«, sagte ich, obwohl ich wusste, dass mir der Blomberg das nie und nimmer glauben würde. »Großmutter war da auch schon ewig nicht mehr.«
    Aber stimmte das? War Großmutter wirklich schon ewig nicht mehr dort gewesen? Und die Knöpfe? Die Knöpfe hinter mir in der Schublade? Ich spürte, wie mein Hintern, der an der Schublade lehnte, heiß wurde.
    Es musste jemand anderer gewesen sein. Es war einfach absurd anzunehmen, Pudschek wäre Großmutter etwas wert.
    Ausgenommen natürlich es stimmte, was in letzter Zeit im Dorf die Runde machte. Dass meine Mutter auf Musiker stand. Und dass es ein Organist gewesen war, der ihr ein Kind angehängt hatte. Mir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken. Kein Wunder, dass meine Mutter gegangen war.
    Aber auch wenn es stimmte, dass Pudschek oder Wanninger-Pudschek mein Vater war, wieso sollte dann Großmutter den blöden Janker aufheben? So wie ich sie kannte, hätte sie ihn in dem Fall lieber verbrannt.
    Nein. Die Kiste musste jemand genommen haben, der dafür die angestammte Verwendung hatte. Noten aufheben nämlich. Jahrelang waren in dieser Kiste die Orgelnoten gelagert worden. Die Lehmerin wollte wahrscheinlich die Noten vom Sebastian in der Kiste aufheben. Und hätte lieber gehabt, dass der Pudschek Sebastians Vater gewesen wäre und nicht der alte Lehmer, der 25 Jahre älter war als sie und vor dem Fernseher mit einem Hinterwand-Herzinfarkt gestorben war. Der niemals irgendein Musikinstrument gespielt und nicht einmal im Kirchenchor gesungen hatte. Es wäre also kein Wunder, wenn sie den Pudschek als geistigen Ziehvater ihres Wunderkindes gesehen und alles von ihm aufgehoben hätte, was sie zwischen die Finger bekommen konnte. Deswegen hatte sie bestimmt auch den

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