In Ewigkeit, Amen
Janker aufgehoben.
Das klang alles sehr unlogisch. Viel logischer war doch, dass Großmutter aus einem mir nicht ersichtlichen Grund Janker aufhob. Flickte. Ja, so eine Art Schrein. Ein Organisten-Munitionskisten-Schrein. Natürlich alles heimlich, weil sie im Grunde alle Männer hasste. Weil wir schon immer von allen Männern sitzen gelassen worden waren. Bei uns kam kein Mann ins Haus.
Nur tot.
Nur tot?
Aus Liebe hatte sie ihn bestimmt nicht ins Haus geholt. Wenn, dann so aus . . . Hm. Beweis, dass sie ihn vernichtet hatte?
Mir wurde schlecht.
Der Blomberg sah mich noch seltsamer an. Vielleicht sah ich mittlerweile auch ziemlich seltsam aus.
»Und wann haben Sie das letzte Mal vor dem Schuppen gekehrt?«
»Wir kehren im Winter nicht im Garten«, sagte ich bockig, auch wenn er mir nicht glauben würde. Natürlich hatte ich gesehen, dass gekehrt worden war. Aber ich war das nicht gewesen. Sah ich so aus, als würde ich im Winter den Zugang zum Gartenhäuschen kehren? Das war ja fast so, als würde ich mir einen Moospflanzlspeer anschaffen. Oder einen Laubsauger.
»Aber es wurde gekehrt«, sagte er und hüllte sich dann in Schweigen.
Na klar. Wieder der fiese Trick mit dem Schweigen. Aber mir würde zu der Sache einfach nichts mehr einfallen. Er könnte die Reisingerin fragen, beispielsweise, weil die nämlich immer jeden Weg kehrte, egal, ob ihn jemand benutzte oder nicht. Vielleicht hatte sie in einem Anfall von Ordnungswahn auch bei uns gekehrt. Das ist ja nicht mit zum Anschauen, hatte sie sich bestimmt gedacht.
Ich hüllte mich ebenfalls in fieses Schweigen. Unschuldige Tatverdächtige mit Schweigen zu terrorisieren war das Letzte.
Der Blomberg wieder. Was interessierte ihn das blöde Pudschek-Kistl! Der Pudschek war doch schon seit zwölf Jahren tot! Oder waren sie etwa darauf gekommen, dass der Pudschek – und der Wanninger-Mord zusammenhingen?
9
Ich ließ mein Auto langsam durch den Ort rollen. Es war schon dunkel, und ich hatte keine Ahnung, was ich als Nächstes tun sollte. Ich hatte mir fest vorgenommen, etwas herauszufinden, das den Fall entscheidend voranbringen würde. Oder zumindest etwas, das mich aus dem Visier des CIA brachte. Aber wie es aussah, würde ich heute, außer der Vernichtung sämtlicher Weihnachtsplätzchen, die neben mir in einer Zellophantüte ihres Schicksals harrten, nichts zustande bringen.
Immerhin war unser Haus nicht durchsucht worden. Aber was noch nicht war, konnte ja noch werden. Festgenommen war ich auch noch nicht, und selbst Großmutter hatten sie in Ruhe gelassen. Obwohl ihre zahlreichen biblischen Ideen uns eigentlich nur verdächtiger statt unverdächtiger machten.
Zumindest hatte Blomberg sehr seltsam geguckt, als sie auf die Frage, wer den Schnee vor dem Gartenhäusl gekehrt hatte, antwortete: »Preise, Jerusalem, den Herrn, lobe Zion, deinen Gott! Er gibt Schnee wie Wolle, er streut Reif wie Asche. Er wirft seine Schossen herab wie Brocken; er spricht, so zerschmilzt es; er lässt seinen Wind wehen, da taut es.«
Aha.
Wollte sie damit sagen, dass wir nie kehrten, sondern auf das göttliche Tauwetter warteten? Ich verstand es selbst nicht, also erwartete ich das auch nicht vom Blomberg. Ich hatte mir jedenfalls ganz fest vorgenommen, dass ich sie nicht fragen würde, ob sie den Janker geflickt hatte.
Vielleicht sollte ich es trotzdem machen, dann hätte sie die Chance, die erlösenden Worte zu sagen. »Geh, Mädl. Meinst, ich hab Zeit, dem greißlichen Pudschek seine alte Jacken zu flicken?«
»Hiob«, hatte sie schließlich vorwurfsvoll zu mir gesagt, da ich wieder einmal keine Ahnung hatte.
»Hiob«, sagte ich zum Blomberg, als wäre mir das immer klar gewesen. »Soll ich Ihnen unsere Bibel leihen?«, schlug ich dann noch liebenswürdig vor, da sein Blick undeutbar geworden war.
»Geh, Mädl. Die vom CIA haben doch ihre eigenen Schriften«, hatte Großmutter gesagt und ihre Hand auf die Bibel gelegt, für den Fall, dass ich sie ihr wegreißen wollte.
War nur ein Spaß, hätte ich am liebsten gesagt. Aber mit der Bibel spaßte man nicht.
Nicht einmal die Weihnachtsbeleuchtung konnte mich dieses Jahr richtig aufmuntern, obwohl ich ein richtiges Faible dafür entwickelt hatte. Was für ein Spaß, in jeden Garten hineinzuspitzen, um zu sehen, ob es Neuerungen gab oder nicht. Und Zeit hatte man dazu immer mehr, denn die Weihnachtszeit fing bei uns jedes Jahr einen Tag früher an. Das war eine Sitte, die der Metzger eingeführt hatte. Vielleicht,
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