Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
Vom Netzwerk:
damit Organisten zu beißen. Aber vielleicht hatte sie ja die Orgelnoten-Munitionskiste gestohlen, damals vor zwölf Jahren. Und der Sebastian hatte im Gegenzug die Sache mit dem Gebiss erledigen müssen.
    Ich kam mir bei den Ideen, die ich hatte, ein bisschen blöd vor. Und ich musste selbst mir gegenüber zugeben, dass die schlüssigste Lösung war, dass meine eigene Großmutter in einem unbändigen Hass auf moderne Orgelmusik zum Wanninger hinaufgestiegen war und dem Ganzen ein Ende bereitet hatte. Nur das Gebiss passte nicht ganz hinein.
    Anneliese sah mich komisch an.
    Mir wurde schlecht von dem Geruch von Gemeinde-Zimtsternen. Ich nahm mir vor, gleich morgen früh das Metzger-Alibi zu überprüfen.
    Vor der Metzgerei stand ein Gehwagerl. Ich überlegte, ob ich weitergehen sollte oder nicht. Das war die Langsdorferin, ihr blaues Gehwagerl war leicht zu erkennen, weil irgendeines ihrer Enkelkinder einige Aufkleber aus der Zeitschrift Bild der Frau auf das Gestänge geklebt hatte. Alles Gute zum Muttertag konnte man zum Beispiel unterhalb des rechten Griffes lesen. In geschwungener Schrift inmitten eines Herzens aus roten Rosen. Puuh. Anneliese und ich hatten damals wenigstens nur Prilblumen, die wir an die Fliesen in der Küche geklebt hatten. Das waren noch Zeiten. Daran konnte man gut sehen, wie alt man inzwischen war: Es gab keine Prilblumen mehr.
    Aber auch wenn es anstrengend war, ausgerechnet jetzt in die Metzgerei zu gehen, war der Informationsgehalt bestimmt nicht zu überbieten. Die Langsdorferin und die Rosl. Und wenn ich durch die angelaufene Scheibe richtig sah, auch die Bet.
    Ich machte mutig die Tür auf, und das Gespräch verstummte.
    Das verhieß nichts Gutes. Alle starrten hochkonzentriert auf die Wurst. Als wenn es da was zu starren gäbe, so viel Auswahl gab es bei uns beim Metzger nämlich nicht. Über allen Anwesenden schien eine kollektive Sprechblase zu schweben, in der stand: Die Wild. Und die traut sich noch her. Wo sie doch dem Pudschek seine Jacke bei ihr g’funden ham!
    Ich stellte mich hinter die Langsdorferin und wartete darauf, meine Bestellung aufgeben zu können. Dabei betrachtete ich die Wurst. Zum Beispiel hätte ich gerne den Bierschinken bestellt. Aber wenn vor mir keiner Bierschinken wollte, dann kaufte ich bestimmt die Scheibe mit, die sich etwas dunkel am Rande aufwellte.
    Die Langsdorferin bestellte dankenswerterweise Bierschinken. Aber die Metzgerin, die blöde Kuh, nahm die gewellte Scheibe einfach ab, nahm die guten Scheiben darunter hervor und legte die alte Scheibe wieder oben auf. Ob sie das für mich auch machen würde, war fraglich. Ich wollte es nicht ausprobieren, zum Wurstradl-Verweigern war ich zu feige.
    »Hätten s’ mir nicht meine Badewanne rausg’haut«, fing schließlich die Rosl an, über ihren Schwiegersohn zu schimpfen. »Eine Dusche braucht man heutzutage, hat er mir g’sagt. So ein Krampf. Und wenn ich mal eine Bluse durchdrücken muss, wo soll ich die dann aufhängen?«
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich Max den Begriff »durchdrücken« erklären könnte. Durchdrücken war nicht nur Waschen. Das war kurzes Waschen eines nicht sehr schmutzigen Wäscheteils. Oder so ähnlich. Wenn die Bluse zum Beispiel ein wenig roch, aber nicht richtig schmutzig war, dann drückte man sie durch. Und zum Aufhängen brauchte man danach eine riesige Badewanne. Das machte Großmutter auch so. Allein der Gedanke, wir könnten eine Dusche haben, löste bei mir einen wohligen Schauer aus. Rosl schimpfte noch eine Weile weiter, dass er sogar vorgehabt hatte, das Bad bis zur Decke zu fliesen, »dass’ ausschaut wie in einem Schlachthaus!«.
    Ich stellte mir Rosis Bad ungefähr so vor wie bei Annelieses Großmutter, Gott hab sie selig. Die hatte seinerzeit einen Teppichboden im Bad gehabt und keine Fliesen. Der Teppich war in den Farben Grün und Gelb gehalten, und jetzt im Nachhinein will ich lieber nicht darüber spekulieren, ob die Farben original waren oder Patina.
    Die Frauen versanken wieder in ihrem stummen Betrachten der Auslage.
    Schließlich entschloss sich die Metzgerin, das beredte Schweigen zu unterbrechen.
    »Du hast des Gebiss g’funden?«, fragte sie, als wüsste sie das nicht schon längst.
    »Ja«, antwortete ich wortkarg und starrte auf die aufgewellte Bierschinkenscheibe. Was für eine blöde Idee, in die Metzgerei zu gehen, um Alibis zu überprüfen. Die Einzige, die hier gelöchert wurde, war ich, da ich mich bestimmt nicht trauen würde,

Weitere Kostenlose Bücher