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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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jemand gestorben war. Und ich erinnerte mich jetzt daran, weil damals auch ein Ächzen und Stöhnen durch die Bäume gegangen war. Ich wusste genau, dass ich meine Augen nur zu schließen brauchte, dann wäre wieder alles da. Dann würde der Gedächtnisfilm weiterlaufen und alles gut Verdrängte nach oben kommen.
    Ich schloss meine Augen nicht.
    Ich hatte keinen Mut, mich zu erinnern.
    Vielleicht war er ja mein Vater. Der Pudschek.
    Ich wollte es aber nicht wissen.
    Ich wollte mich auch nicht an meine Mutter erinnern.
    Und vor allen Dingen wollte ich mich nicht an den Sturm vor zwölf Jahren erinnern.

10  
    Gerade in der Weihnachtszeit war ein Besuch in unserer Apotheke obligatorisch. Zu den sonstigen Papiertaschentüchern bekam man dann nämlich was wirklich Tolles geschenkt. Einer Kerze zum Beispiel. Das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, auch wenn Max an meiner Seite motterte, er würde zu Ikea fahren und für mich einen Sack Teelichter kaufen. Nur um sich dem Sozialstress in der Apotheke zu entziehen. Ja, aber ein Sack Teelichter war trotzdem keine geschenkte Kerze aus der Apotheke. Außerdem hatte Max die Pflicht, nett zu mir zu sein. Seit dieser Pudschek-Wanninger-Verwechslung war er wirklich ausgesprochen lieb zu mir. Hat doch keiner ahnen können, dass ich Pudschek sag und den Pudschek meine, hat er sich gerechtfertigt. So ein Schmarrn, hatte ich ihm geantwortet. So wie ihr ermittelt, habt ihr auch in 100 Jahren den Mörder noch nicht.
    Meine Hoffnung war groß, dass ich nicht eines der sonstigen Geschenke unter Max’ Blick würde entgegennehmen müssen. Denn nichts war peinlicher, als eine Probe für eine Pickelcreme überreicht zu bekommen. Oder einen Katalog zum Thema »Effektiv abnehmen«.
    Außerdem fand ich es toll von unserer Gemeinde, dass sie stillschweigend akzeptierte, dass wir Pudschek-Janker in Pudschek-Munitionskisten aufhoben. Da ging man doch wieder richtig gern zu den sozialen Treffpunkten. »Mei. Die alte Wild«, hatte wahrscheinlich der Kreiter gesagt. »Die ist halt nimmer dicht.«
    » Scho lang nimmer «, hatte es ihm vermutlich der Schmalzl-Wirt bestätigt. »Die alten Leut. Die heben halt alles auf.«
    Großmutter ging auch mit, weil sie ihre Tabletten kaufen musste und ich ansonsten keine Kerze geschenkt bekam. Außerdem war es ihr bestimmt vollkommen egal, ob irgendjemand von ihr dachte, dass sie nicht mehr dicht war oder komische Dinge aufhob. »Geh, Mädl«, würde sie vermutlich zu mir sagen. »Des is doch klar, dass keiner von uns die Kiste da reing’stellt hat. Des war doch der Mörder.«
    Ein beruhigender Gedanke, dass in unserem Gartenhäusl die Mörder ein und aus gingen.
    Die Kathl, die Langsdorferin, die Bet und die Rosl waren anscheinend auch scharf auf die geschenkten Kerzen, denn sie standen alle vor dem Regal mit den Aromalämpchen. Vielleicht hatten sie sich aber auch für ihren Ratsch ein windgeschütztes Eckchen gesucht.
    Natürlich mussten wir uns erst einmal dazustellen und eine Weile wichtige Dinge austauschen. Greißliches Wetter heut, des schneit bestimmt ned, hast g’hört, da hat a Bauer seine Enkelin überfahr’n, und so Zeug. Max wirkte so in sich gekehrt, als würde er demnächst ins Koma fallen.
    Dann sprachen wir noch kurz über den Wanninger.
    »Der Wanninger war scho a netter Mensch«, sagte die Rosl. »Der hat immer grüßt.«
    Als wenn das ein Zeichen von Nettigkeit war. Der Metzger beispielsweise, der grüßte auch immer. Aber nur, damit man seine faden Wiener kaufte.
    »Der hat nie in Boden reing’schaut«, nickte Großmutter.
    Das stimmte. Der Sebastian Lehmer grüßte ganz ungern, vor allen Dingen Rosenkranztanten, die einen dann stundenlang festnageln konnten. Eine bewährte Technik war, auf den Boden zu schauen und so zu tun, als würde man keinen sehen. Obwohl der Entgegenkommende natürlich wusste, dass man ihn gesehen hatte.
    »Der Wanninger, des war a ganz neugieriger Zwickel«, trug die Kathl bei. »Alles hat er g’wusst. Was der oft für Sachen erzählt hat.«
    »Des stimmt«, pflichtete die Rosl bei. »Heilige Maria Mutter Gottes. Der hat alles g’wusst.«
    »Der Wanninger hat gar nix g’sehn«, platzte die Bet heraus. »Gar nix.«
    Die Blicke der Rosenkranztanten schnellten zur Bet. Es war eine Weile still, und die Bet wurde bleich.
    Oh. Oh, dachte ich mir unwillkürlich und spitzte neugierig die Ohren.
    Die Kathl sah sie streng an. »Weißt was, Bet, des hat doch eh jeder g’wusst.«
    Die Bet wurde noch weißer,

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