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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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Das kann man doch nicht den Asylanten geben. Und die Stiefel. Die waren auch pfenniggut. Dass man mit vierzig Jahren unmöglich solche Stiefel anziehen konnte, hatte sich bis zu ihr anscheinend noch nicht herumgesprochen.
    Ich war plötzlich frustriert. Nicht, weil Bet so sparsam war und die unvorteilhaften Kleidungsstücke ihrer uralten Mutter trug. Oder sich solche Kleidungsstücke kaufte, weil sie so praktisch waren. Es war ein blödes Gefühl, wenn man sah, wie sich die Generationen anglichen.
    Vielleicht sollte ich, bevor ich mich weiter an Max band, seine Eltern näher kennenlernen. Man konnte da nicht zu viel Vorsicht walten lassen. Wer wusste, was sein Vater für ein grässlicher Macho war, der ständig seine Frau schlug oder sich › den Zucker hinten reinblasen ‹ ließ, wie es meine Großmutter immer umschrieb. Dieses Angleichen an seine Erzieher war anscheinend etwas Unvermeidliches, so wie mein Hund immer in die Knie ging, wenn er Fauliges roch. Ich versuchte mir nicht auszumalen, was das in meinem Fall bedeutete.
    Noch immer starrte ich auf die Stelle, an der Bet verschwunden war. Denn mein ungutes Gefühl tief in mir drin sagte mir noch etwas. Ich hatte eben eine wichtige Entdeckung gemacht. Etwas, das ich vor zwölf Jahren gewusst, aber leider wieder vergessen hatte. Schlimmstenfalls aktiv verdrängt. Es hatte damit zu tun, dass die Bet die ältlichen Kleidungsstücke ihrer Mutter trug. Ich wusste zwar noch nicht, was ich dadurch wusste, aber ich wusste, dass es nicht gut war.
    Natürlich hatte ich die Langsdorferin nicht durchs Dorf begleitet. Nicht, wenn gleichzeitig die Rosl nebenher ging und Ohren wie Satellitenempfänger machte. Ärgerlich setzte ich mich neben Großmutter an den Küchentisch und sah ihr ein Weilchen einfach nur zu. Ich war zu feige für meinen Beruf. Ständig interviewte ich nur meine Großmutter. Das konnte doch zu nichts führen.
    »Und den Pudschek damals. Den hast du gefunden?«, fragte ich.
    »Denn wo ein Testament ist, da muss der Tod dessen geschehen sein, der das Testament gemacht hat. Denn ein Testament tritt erst in Kraft mit dem Tode; es ist noch nicht in Kraft, solange der noch lebt, der es gemacht hat«, antwortete Großmutter und schob ihre Brille nach oben.
    »Und dann hast du die Polizei gerufen?«, wollte ich wissen. Obwohl ich mehr mit mir selbst sprach.
    »Ah geh«, sagte Großmutter, »das war doch nicht nötig.«
    Ich stand auf, genervt und ärgerlich. Manchmal war Großmutter wirklich unerträglich. Und jetzt würde ich Mut haben. Ich würde auf die Straße gehen und die nächstbeste Person befragen. Und wenn es die Reisingerin war. Mein Hund sah nicht so aus, als wollte er mitgehen und die Reisingerin treffen. Pech gehabt.
    Der Wind riss an meinen Haaren, als ich aus der Tür trat. Herbstwetter, dachte ich schaudernd.
    Ich sah mich hin und wieder nach meinem Hund um. Der leidenden Miene nach zu schließen, würde er die nächste halbe Stunde das Zeitliche segnen. Ich war auch schon ganz verfroren. Schon wieder hatte ich auf die wollene Unterwäsche verzichtet und würde zu Hause bestimmt rot-weiß marmorierte Beine haben.
    »Servus«, sagte ich. Der Schorsch war der Unglückliche, der mir als Erstes über den Weg lief.
    Er kehrte gerade den Bürgersteig und sah kaum auf.
    »Servus, Lisa«, murmelte er undeutlich.
    »Habt ihr jetzt schon den Pudschek überprüft?«
    Er sah überrascht auf. »Den Pudschek?«
    »Ja. Oder wollt ihr mich verhaften wegen dieser blöden Kiste, ohne dass ihr wisst, an was der Pudschek gestorben ist?«
    »Wir wollen dich nicht verhaften«, brummte Schorsch und kehrte weiter wie ein Wilder.
    »An was ist der Pudschek denn eigentlich gestorben?«, bohrte ich weiter.
    »Welcher Pudschek?«, fragte er wieder griesgrämig.
    »Na, der richtige Pudschek. Damals.«
    »Des is zwölf Jahr her«, wich er meiner Frage aus. Richtig. Er war damals auch erst zwölf Jahre alt gewesen. Und ich konnte mich auch nicht mehr erinnern.
    Dass ich mich nicht erinnern konnte, war eigentlich gelogen. Inzwischen war ich mir sehr sicher, dass ich an Pud-scheks Tod schuld war. Auf die eine oder andere Art schuld. Nicht, dass ich ihn umgebracht hätte. Oder vielleicht doch? Es hatte mich jedenfalls auf eine Art und Weise beeindruckt, dass in meinem Gehirn ein schwarzes Loch entstanden war. Also ein extra Gehirnteil nur für den Pudschek. Das hatte so eine große Masse, dass es alle Erinnerungen schluckte, die nur im Entferntesten mit Organisten zu tun

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