In Flammen
aufgewachsen ist und uns praktisch nicht gekannt hat, bis Sie gesagt haben, dass sie herkommen und bei Ihnen arbeiten kann.«
Es wäre sinnlos gewesen, das zu leugnen. Ian duldete Rosheen O'Riordan Siobhan zuliebe und weil seine kleinen Söhne an ihr hingen, aber viel lieber wäre ihm ein Kindermädchen gutbÜrgerlicher Herkunft gewesen. Rosheens lockere Auffassung von Kindererziehung, die auf ihren eigenen Kindheitserfahrungen beruhte – sie war in den Bergen Donegals mit zahlreichen Geschwistern in einem kleinen Haus aufgewachsen, die Kinder hatten zu viert in einem Bett geschlafen und Spielen war Abenteuer, Freiheit und Spaß gewesen –, unterschied sich so sehr von der strengen Beaufsichtigung, die er selbst als Kind erfahren hatte, dass sie ihm suspekt war.
»Die Kinder wachsen ja wie die Wilden auf«, pflegte er zu sagen. »Sie setzt ihnen nicht genug Grenzen.« Und Siobhan betrachtete dann ihre beiden vergnÜgten, lebhaften Jungen und fragte sich, warum die Engländer so viel von UnterdrÜckung hielten.
»Er sorgt sich um seine Kinder, Bridey, seit Patricks Verhaftung noch mehr. Wir bekommen auch Anrufe, wissen Sie. Jeder weiß, dass Rosheen seine Cousine ist.«
Sie erinnerte sich des ersten solchen Anrufs, den sie erhalten hatte. Sie hatte ihn in der KÜche entgegengenommen, wo Rosheen das Abendessen fÜr die Kinder machte und war entsetzt gewesen Über die Flut anti-irischer Beschimpfungen, mit der sie ÜberschÜttet worden war. Erschrocken hatte sie Rosheen angesehen und am ängstlichen Blick des Mädchens erkannt, dass dies nicht der erste derartige Anruf im Haus war. Danach hatte sie sich einen Anrufbeantworter besorgt und Rosheen verboten, ans Telefon zu gehen, bevor sie wusste, wer am Apparat war.
Bridey schaute tief bekÜmmert zu der Madonna auf dem Kaminsims hinauf. »Ich bete jeden Tag fÜr Sie, Siobhan, genauso wie ich fÜr unseren Patrick bete. Gott weiß, dass ich einer freundlichen Dame wie Ihnen niemals solchen ärger gewÜnscht hätte. Und warum das alles? Ist es vielleicht eine SÜnde, Ire zu sein?«
Siobhan seufzte im Stillen. Brideys devotes Beharren darauf, sie als »Dame« zu bezeichnen, ging ihr auf die Nerven. Sie zweifelte nicht an Brideys Glauben, auch nicht daran, dass sie jeden Tag getreulich betete, aber sie bezweifelte Gottes Fähigkeit, den Mord an Lavinia Fanshaw acht Monate nach vollbrachter Tat ungeschehen zu machen.
Und wenn Patrick schuldig war und Bridey es wusste...
»Es geht nicht um die Nationalität«, sagte sie schroff, »es geht darum, ob Patrick ein Mörder ist oder nicht. Es wäre mir lieber, Sie wären ehrlich mit mir, Bridey. Im Augenblick kann ich keinem von Ihnen trauen, auch Rosheen nicht. Weiß sie von seiner Vergangenheit? Hat sie mich auch belogen?« Sie wartete schweigend auf Antwort, aber Bridey schÜttelte nur den Kopf.
»Ich will Ihnen ja nicht die Schuld am Verhalten Ihres Sohnes geben«, fuhr sie versöhnlicher fort, »aber Sie können nicht erwarten, dass ich mich weiter fÜr ihn einsetze, wenn er schuldig ist.«
»Gewiss nicht, und das wÜrde ich auch nie von Ihnen verlangen«, erwiderte die alte Frau mit WÜrde. »Und was Rosheen angeht, können Sie sich beruhigen. Wir haben vor fÜnfzehn Jahren beschlossen, die Wahrheit fÜr uns zu behalten. Liam wollte nicht, dass seinem Sohn was zum Vorwurf gemacht wird, woran er keine Schuld hatte. Wir sagen, es war ein Autounfall, hat er gesagt, und Gott soll mich auf der Stelle tot umfallen lassen, wenn ich je wieder im Zorn meine Hand erhebe.« Sie griff zu den Rädern ihres Rollstuhls hinunter und schob sie langsam eine halbe Umdrehung vorwärts. »Ich will ehrlich sein – ich kann erst die letzten fÜnfzehn Jahre nachts ruhig in meinem Bett schlafen, obwohl ich krank bin und obwohl ich seit fast vierzig Jahren mit Liam verheiratet bin. O ja, Liam war ein schlimmer Mensch, und es stimmt, dass unser Patrick einmal, nur einmal, wÜtend geworden ist und ihn angegriffen hat, aber ich schwöre bei der heiligen Muttergottes, dass sich an dem Tag, an dem mein armer Junge weinend Über das, was er angerichtet hatte, selbst die Polizei angerufen hat, in unserer Familie alles zum Besseren gewendet hat. Wollen Sie mir nicht glauben, Siobhan? Wollen Sie nicht einer alten Frau vertrauen, wenn sie Ihnen sagt, dass ihr Sohn Patrick so unfähig gewesen wäre, die alte Mrs. Fanshaw zu töten, wie ich unfähig bin, aus diesem Rollstuhl aufzustehen? O ja, er hat ihr Schmuck gestohlen – und das war nicht recht von
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