In Gedanken bei dir (German Edition)
Und dass er sie schon bald wieder besuchen würde.
Was
bleibt?, fragte er sich erschüttert.
Mir:
Angst. Schmerz. Trauer.
Ihr:
Hoffnung. Sehnsucht. Erinnerungen.
Und
ein Stern, die uns für immer verbindet.
»Jolie?«
Nur
ein Piepsen und ein Schnaufen antwortete ihm, aber er wollte so gern ihr
niedliches Ja? hören, ihr helles Kinderlachen.
»Versprichst
du mir, dass du jeden Abend vor dem Schlafengehen deinen Stern am Himmel
suchst? Dass du dir vorstellst, wie ich dann bei dir bin, wenn Mommy und Daddy
dich ins Bett bringen? Und dass einer der tausend Küsse, die sie dir geben, von
mir ist? Weil ich dich ganz doll liebhabe, Jolie. Hast du mich auch so lieb?«
Ja,
ich hab dich auch lieb, Nick.
Er
war heiser, seine Stimme bebte. »Würdest du was für mich tun, Süße?«
Ja,
Nick, alles. Was wünschst du dir am allerdollsten?
Jolie
und er hatten eine wundervolle Zeit zusammen gehabt, mit mehr Freude und Leid,
als viele Menschen in ihrem ganzen Leben hatten, mit Geborgenheit und Liebe.
Nick
beugte sich über sie und sah sie ganz genau an, um sich ihr Gesicht für immer
einzuprägen. Es war vielleicht das letzte Mal, dass er sie sah.
Sanft
küsste er sie auf die Stirn und flüsterte: »Geh nicht, Jolie. Komm zu uns
zurück.«
Mit dem Rücken an die Wand gelehnt, die Hände
in den Taschen seiner Jeans, sah Alex den leeren Gang hinunter.
Cassie
hockte mit angezogenen Knien neben ihm auf dem Boden. Ihr Blick war gesenkt,
ihre Hand ruhte auf ihrem Bauch und ihre Finger spielten in den Falten ihres
Wollpullovers.
Wenn
man sie nur kurz beobachtete, für die Dauer einer Drehung ihres Kopfes den Gang
entlang oder das Zeitmaß eines langen Blickes, könnte man glauben, sie ruhe in
sich, vollkommen gelassen. Wenn man sie jedoch länger ansah, für die Zeitspanne
von mehreren Atemzügen und Herzschlägen, merkte man ihr an, wie kraftlos ihre
Gesten waren, wie verhalten ihr Atem kurz vor dem Weinen war, wie erschöpft sie
war. Wie ängstlich. Wie traurig.
»Da
ist er!«, flüsterte Cassie und deutete auf Nick, der mit schweren Schritten auf
sie und Alex zukam. Nicks Kopf war gesenkt, seine Schultern waren gebeugt, als
trüge er eine schwere Last. Cassie hatte Alex vorhin erzählt, Nick ginge als
Projektleiter nach Australien, und Alex konnte sich vorstellen, wie er sich
jetzt fühlte. Cassie zu verlassen, und Jolie ...
Neben
ihm rappelte Cassie sich hoch und blieb an seiner Seite stehen. Ihr Gesicht war
so angespannt wie das von Nick. Ihr Blick wirkte abwesend, als wüsste sie, was
gleich passieren würde, als wollte sie jetzt nicht hier sein, weil sie diesen
neuen Schmerz der Trennung von Nick nicht auch noch ertragen konnte.
Gemeinsam
gingen sie Nick entgegen, der schließlich seinen Blick hob und vor Cassie und
Alex stehen blieb. Nick atmete tief durch, als wäre er gerade aus großer Tiefe
aufgetaucht.
Cassie
riss die Augen auf, schlug sich die Faust vor die bebenden Lippen und rannte
mit quietschenden Sohlen an Nick vorbei den Gang hinunter zu Jolies Zimmer. Als
sie die Tür aufstieß, hörte Alex das stetige Piepsen, das Jolies Herzschlag
anzeigte. Dann fiel die Tür ins Schloss.
Nick
und er blieben allein im Gang zurück.
Es
gibt keine Worte für das, was ich jetzt empfinde, dachte Alex. Beschämung ist
zu schwach. Dankbarkeit auch. Es ist ein Gefühl tiefer Verbundenheit, trotz der
Spannungen, die in den letzten Monaten zwischen uns geherrscht haben. In meiner
hilflosen Verzweiflung habe ich vorhin Nick angerufen, und er ist sofort
gekommen, um sich um Cassie zu kümmern. Meine Tränen während des kurzen
Telefonates übers Handy haben ihn sehr berührt, das habe ich gespürt. Und ich
weiß nicht, wieso ... aber plötzlich hatte ich das Gefühl, dass er dazugehört,
zu Cassie und mir, dass wir eine Familie sind.
Schuld
– das ist es, was ich jetzt empfinde. Ich fühle mich schuldig, weil er geht und
ich bleibe. Weil er Cassie und Jolie verliert, die er so liebt wie ich. Weil er
sein ganzes Leben aufgibt, seinen Job, sein Haus, seine Hoffnung auf eine
glückliche Familie, damit Cassie und ich wieder zusammen sein können. Was für
ein Geschenk!
So
großzügig wie jenes andere: Die anonyme Geldspende, die es uns ermöglicht, für
unsere Kinder dazusein, stammt doch von ihm! Was für ein Mensch!
Die
Tränen schossen Alex in die Augen, und er rang nach Worten.
Nick
spürte, was in ihm vorging, denn Alex sah, wie er die Schultern anspannte.
»Danke.«
Das war alles, was Alex
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