In Gedanken bei dir (German Edition)
Kristallhöhlen, in Vulkankratern im Schein der glühenden Lava.
Alex als Felskletterer, Alex als Taucher, Alex als Ruinenforscher, Alex mit
Fallschirm im Helikopter, Alex mit tapsigen Tigerbabys im Arm. Clever und
smart, taff und jungenhaft verschmitzt. Alex war Wissenschaftler, Abenteurer
und Medienstar. Na klar, das war aufregender als in San Francisco mit den
Fingern auf die Schreibtischkante zu trommeln und auf The Big One zu warten.
Im
Verlauf fand Nick weiter unten eine Google Suche: Alex+Cassie+Lacey. Seine
Hände zitterten, als er den Link anklickte und ein Bild von beiden erschien.
Cassie und Alex, beide in kurzem Tauchanzug, schwebten im tiefblauen Wasser vor
... ah, da unten stand es, vor Hawaii. Cassie streckte ihren Arm aus und berührte
die gefleckte Haut eines riesigen Walhais, der hinter ihr und Alex vorbeiglitt.
Wie
oft hatte Cassie ihm von diesem Urlaub erzählt!
Auf
der Suche nach Alex hatte sie sich an glücklichere Zeiten erinnert, an ihr
gemeinsames Leben.
Nick
schloss den Internet Explorer und starrte auf den Desktop mit dem niedlichen
Foto von Jolie. Wie ernst war Cassie ihre Suche nach Alex? Was hatte sie dabei
empfunden?
Er
ging hinauf ins Schlafzimmer und öffnete die Bodenklappe zur winzigen
Dachkammer. Über die Leiter kletterte er hinauf und schob sich in die Kammer
wie ein Höhlenforscher. Der dunkle Raum war vollgestopft mit Umzugskartons.
Einige waren herumgewuchtet und durchwühlt worden. Auf einer Holztruhe lag
aufgeschlagen das Hochzeitsalbum der beiden.
Nick
spähte in die offene Kiste, aus der Cassie das Album geholt hatte. Keine
Ahnung, was sie sich alles angesehen hatte. Und er wusste auch nicht, ob
irgendetwas fehlte. Aber er konnte ihr Tagebuch nirgendwo entdecken, ein
Notizbuch mit blauen Rosen auf dem Papierumschlag. Sie hatte ihm von diesem
Buch erzählt. Darin hatte sie sich die enttäuschendsten und schmerzhaftesten
Augenblicke ihrer Ehe von der Seele geschrieben. Sie hatte ihm gestanden, dass
sie jedes Mal Herzklopfen hatte, wenn sie das Tagebuch beim Stöbern wiederfand.
Sie wollte es schon einmal wegwerfen, hatte es dann aber doch aufbewahrt. Wo
war es jetzt?
Ende
der Expedition in die Abgründe der Vergangenheit.
Nick
ging wieder hinunter zu Cassies Schreibtisch und zog die oberste Schublade auf.
Nichts. Die nächste? Auch nichts. In der untersten Lade fand er schließlich das
Tagebuch.
Er
atmete tief durch.
Und
jetzt?
Okay,
ja, ich verstehe, dass Cassie im totalen Ausnahmezustand steckt ... Jolies
Krankheit und jetzt auch noch Alex’ Scheidung ... Aber, hey, haben wir nicht in
den letzten Monaten gemeinsam alle Krisen gemeistert?
Nick
erinnerte sich, wie Cassie und er Jolie an Weihnachten nach Hause geholt
hatten. Es ging ihr so gut, dass sie die Klinik für einige Tage verlassen
konnte, und sie glaubten fest an ein Happy End. Jolie und Connor flitzten im
Hausboot herum und stellten Milch und Kekse für Santa Claus hin. Die Karotte
für Rudolph, das rotnasige Rentier, hängten sie kichernd an das Verandadach:
»Mal sehen, ob Rudy schwimmen kann.«
Jolie
hatte ihre Engelsflügel aus Draht und Federn umgehängt. Um ihre Hausschuhe
hatte sie Watte gewickelt und zerzaust, damit es aussah, als würde sie über
Wolken laufen. Ihre Kleine so fröhlich herumhopsen zu sehen, voller Vorfreude
auf den nächsten Morgen, wenn sie ihre Geschenke auspacken würde, war das
schönste Geschenk für Cassie und Nick. Glück pur. Nur der Verband über ihrem
Port für die Infusionen erinnerte sie daran, dass dieses Glück jeden Augenblick
enden konnte. Aber so lange es dauerte, genossen sie es, gelassen und
zufrieden. Die Freude, Jolie herumtoben und mit ihren Geschenken spielen zu
sehen, hielt nur wenige Tage. Zuerst wurde die Kleine müde und lustlos, dann
bekam sie hohes Fieber, und Cassie und er brachten sie zurück in die Klinik. In
der Nacht schlief sie in seinen Armen im Krankenhausbett. Nick wusste noch,
dass er den Gedanken hasste, sie wieder den Schmerzen und dem Leiden
auszusetzen. Er liebte dieses Kind und er hoffte, wie jeder Vater, dass Jolie
ein glückliches und erfülltes Leben haben würde.
Am
nächsten Tag verlegte Karen die Kleine auf die Intensivstation. Nur Cassie
blieb bei ihr und hielt ihre Hand, während Jolie ins Koma hinüberglitt.
Haben
wir das alles nicht gemeinsam durchgestanden?, dachte Nick. Die Angst. Die Wut.
Die Ohnmacht. Die Schuldgefühle. Die Selbstvorwürfe, ob wir die schwere
Infektion verursacht haben oder ob wir sie hätten
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