In Gedanken bei dir (German Edition)
meldete sich das UCSF Medical Center.
»Dr
Cassie Lacey. Ich würde
gern mit meiner Tochter sprechen. Jolie.«
Ein
Klicken, dann Funkstille.
»Hallo?«,
flüsterte Cassie in das Schweigen hinein.
»Cassie?«,
meldete sich Dr Mayfield. »Wo bist du?«
»Karen,
hi! Ich bin schon auf dem Weg zu Alex. In einer halben Stunde bin ich bei ihm.
Ich wollte vorher kurz mit Jolie reden. Aber sie ist nicht in ihrem Zimmer. Ich
muss wissen, wie es ihr geht.«
Dr
Mayfield atmete langsam ein und aus, und es klang wie ein tiefer Seufzer aus
dem Herzen.
Cassie
spannte sofort wieder alle Muskeln an, und eine Hitzewelle lief durch ihren
Körper. Ihr Herz raste. Jolie starb.
»Cassie,
deine Kleine ist im Labor und wird gerade gepikst. Soll ich ihr was
ausrichten?«
»Sag
ihr, ich bin auf dem Weg zu ihrem Daddy. Sag ihr, sie muss durchhalten, bis
Alex und ich wieder bei ihr sind.«
»Ich
sag’s ihr«, versprach Karen mit ruhiger Stimme.
»Sie
muss leben, Karen. Sag ihr, sie soll auf mich warten ... auf Mommy und Daddy.«
»Cassie
...« Dr Mayfield seufzte. »Okay, mach ich.«
Cassies
Herz klopfte so schnell, dass sie das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu
bekommen. »Danke, Karen. Ich komme so schnell wie möglich zurück.« Mit
zitternden Fingern beendete sie das Gespräch.
Die
Sonne brach jetzt durch den dichten Dunst, dann hüllten die wabernden Schwaden
sie wieder ein. Außer dem Highway vor ihr und den Bäumen konnte sie nichts
erkennen. Hätte es nach einigen Meilen nicht aufgeklart, wäre sie am Silver
Lake Visitor Center vorbeigefahren.
Noch
eine Viertelmeile, sagte das Schild, dann verließ Cassie die Straße und parkte
ihren Wildtrak vor dem wuchtigen Gebäude. Für fünf Dollar konnte sie die
Ausstellung besichtigen und einen sechzehnminütigen Film über den
Vulkanausbruch ansehen, aber sie hatte keine Zeit. Am Verkaufsstand neben dem
Visitor Center holte sie sich einen Coffee-to-go. Dort fragte sie auch nach
Indian Island. Fünf Meilen über den Spirit Lake Highway, rechts ab, kein
Schild. Thanks and bye.
Vom
Visitor Center führte ein Trail, ein hölzerner Boardwalk, zu den Silver Lake
Wetlands. Am Ende des Stegs sollte man einen tollen Blick auf den Mount St
Helens haben, der sich zwischen den blühenden Seerosen im Wasser des Silver
Lake spiegelte. Das würde sie sich wirklich gern ansehen, aber sie musste zu
Alex.
Cassie
trank ihren Kaffee aus und stieg wieder in den Pickup. Fünf Meilen. Sieben
Minuten.
Sie
fuhr am Silver Lake Resort vorbei. Eine Straße nach rechts. War’s hier schon?
Kein Schild. Sie schaute auf den Meilenstand. Nein, noch weiter. Ein kleines
Waldstück. Dahinter musste der Silver Lake liegen. Eine einsame Mailbox am
Straßenrand, ein weißes Haus. Der Nebel löste sich auf, der Himmel riss auf,
die Sonne blendete sie. Eine Straße, die nach rechts in die Einsamkeit führte.
Nein, noch nicht. Dann kam der Silver Lake in Sicht. Den Vulkan musste sie von
hier aus sehen können. Aber der Horizont war noch zu dunstig. Der Highway
führte am See entlang, das Wasser blitzte immer wieder zwischen den Bäumen durch.
Dann kamen die Wetlands – Seerosen blühten auf den Tümpeln, die das Blau des
Himmels reflektierten. Beinahe wäre sie an der Straße vorbeigefahren, so sehr
genoss sie den Anblick der bezaubernden Landschaft.
Hey,
eine Straße nach rechts, und kein Schild. Hier musste es sein.
Ein
kleines Waldgebiet tauchte vor ihr auf. Dann kam eine Ansiedlung in Sicht, und
ein Schild: Indian Island. So hieß der Ort, wo Alex wohnte. Hier war sie
richtig. Die zweite Straße rechts, also gut. Immer am See entlang, das stimmte
auch. Lake Road, und da war der Silver Lake. Jetzt langsam. Sie hielt nach
Hausnummern Ausschau, aber es gab keine.
Das
Haus da vorn, das mit dem Bootssteg unter den hohen Bäumen, das könnte es sein!
Cassie
fuhr ein paar Schritte weiter um die Ecke, dann parkte sie am Straßenrand und
schaltete den Motor aus.
Durchatmen.
Sie
lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze, schloss die Augen und lauschte auf das
Knacken des abkühlenden Motors.
Entspannen.
Sie
stellte sich vor, ihre verspannten Muskeln und Gelenke würden knacken, und das
half. Die Schmerzen ließen nach.
Du
schaffst das, Cassie! Was sind schon sechs Jahre? Ihr habt euch mal geliebt.
Ihr wart mal glücklich. Ihr seid verheiratet.
Ja.
Noch.
Cassie
spürte, wie ihr die Tränen kamen, wie gestern, als sie den Umschlag aufriss.
Verdammt!
Mit
beiden Händen rieb sie sich übers Gesicht, als ihr Tablet
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