In Gedanken bei dir (German Edition)
erst
werden, wenn sie einander nach sechs Jahren erneut erforschten!
Alex
stellte beide Füße auf den Boden, stemmte die Hand auf sein Knie und richtete
sich auf. »Sag mal, ist was?«
Oh
Alex, was sollte Marlee denn dazu sagen?, dachte Cassie.
»Du
...« Er fuhr sich durch das Haar und atmete tief durch. »Wir skypen, wenn die
Kinder im Bett sind.« Marlee schien ihn an ein Versprechen zu erinnern, denn
Alex schnaufte ein bisschen entnervt. »Dann sag Jaycie, dass ich wie
versprochen mit ihr Second Life spielen werde. Um zehn. Unsere Avatare
treffen sich im virtuellen Kinderzimmer, und ich bringe Jaycie online ins Bett.
Mit einer kurzen Gutenachtgeschichte. Okay?«
Wie
oft hatte Cassie neben Jolie im Bett gelegen und sie im Schlaf beobachtet. Ihr
wunderschönes Gesicht unter dem wollenen Beanie, den sie nachts trug. Ihren
zarten Körper unter der Bettdecke. Wie oft hatte sie auf ihren Atem gelauscht.
Oder die Hand auf ihre Brust gelegt, um ihren Herzschlag zu ertasten. Oder sie
in den Arm genommen, weil Cassie ihre Wärme und ihre Nähe spüren wollte. Weil
sie sich vergewissern wollte, dass ihre Kleine noch lebt.
Aber
sie hatte Jolie auch schon online ins Bett gebracht, genau wie Alex. Über Skype
hatte sie ihr eine Geschichte vorgelesen oder über das Smartphone ein Lied
vorgesungen, damit sie in ihrem Bett in der Klinik allein einschlafen konnte.
Cassie hatte ihre Kleine getröstet, als sie geweint hatte. Und die Erinnerung
an diese abendlichen Dramen trieb ihr schon wieder die Tränen in die Augen. Mit
dem Handrücken wischte Cassie sie fort.
Und
jetzt? Alex hatte Kinder, und er liebte sie, als wäre er ihr Daddy. Damit hatte
sie nicht gerechnet. Wie sollte sie ihm sagen, dass sie beide eine Tochter
hatten? Dass Jolie krank war? Und dass es ihr Herzenswunsch war, ihren
geliebten Daddy zu umarmen, während sie starb?
Sie
musste eine Entscheidung treffen, die ihr unendlich schwer fiel. Sollte sie
Jolie enttäuschen und ohne ihren Daddy nach San Francisco zurückkehren? Oder
sollte sie Alex von ihrer Tochter erzählen und sein Glück zerstören, seine
Liebe zu Marlee und ihren Kindern, seine Lebensfreude? Cassie hatte keine
Ahnung, was sie tun sollte. Sie sah Alex an, der mit einem Lächeln ihren Blick
erwiderte, und sie erkannte plötzlich den Mann, in den sie sich vor zehn Jahren
verliebt hatte und den sie immer noch liebte. Und plötzlich wusste sie, was sie
tun musste.
Alex
wandte den Blick ab. »Nein, Marlee, morgen Abend schaffe ich es auch nicht.
Aber du kommst doch am Freitag mit den Kindern.« Er lauschte angespannt, dann
fragte er besorgt nach: »Na klar reden wir über Jaycie. Was ist mit ihr?«
Während er zuhörte, ballte er die Hand auf seinem Knie zur Faust. »Marlee, dein
Ex ist ein Arsch. Okay, die Kleine ist seine Tochter. Er kann mit ihr reden,
kein Problem. Er kann auch mit ihr mailen. Aber Facebook? Was will er damit
erreichen? Dass sie sich mit ihm trifft, ohne dass du oder ich dabei sind?
Dafür aber alle ihre Freunde, die online mitlesen? Was soll das? Will er die
Kleine unter Druck setzen, oder was? Hat sie nicht schon Angst genug?«
Er
atmete tief durch, während Marlee antwortete. Dann sprach wieder Alex, lauter
und aufgebrachter:
»Na
klar ist das Stalking. Er ist ihr Daddy. Nur dass Jaycie jetzt zu mir Daddy
sagt. Es passt deinem Ex nicht, dass wir heiraten werden und dass seine Tochter
dann auch meine Tochter ist. Wenn er damit ein Problem hat, soll er sich mit
mir prügeln, und nicht seine sechsjährige Tochter auf Facebook belästigen oder
bedrohen. Jaycie hat panische Angst vor ihm, verdammt.«
Marlee
offenbar auch.
»Wieso?«,
fragte Alex nach. »Bedroht er dich schon wieder?« Besorgt hörte er eine Weile
zu. »Aber du hast Angst, dass er eines Tages mit einer Waffe vor deiner Tür
stehen könnte.«
Cassie
stellte sich vor, wie Marlees Ex nachts um ihr Haus schlich, und sie fröstelte.
Was musste Marlee für eine Angst haben!
Alex
schnaufte durch die Nase. »Liebes, du wirst dich sicherer fühlen, wenn wir erst
zusammen leben. Nicht mehr lange. Okay? Ich rede mit Cassie über die Scheidung.
Sie hat die Papiere dabei.«
Und
Marlees Frage: Hat sie unterschrieben?
»Nein,
noch nicht. Wir skypen heute Abend, wenn die Kids im Bett sind. Wir reden über
alles. Hey, hast du übrigens von dem Stalking-Fall in Australien gehört? Von
dem Kerl, der seine Ex über Facebook belästigt hat? Die Polizei in Melbourne
hat versucht, den Stalker zu erreichen. Keine Chance. Weder
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