In Gottes Namen
fragte.
Mullaney stand jetzt neben ihm, einen versöhnlichen Ausdruck im Gesicht.
In diesem Moment wurde Riley schlagartig klar, dass es für ihn im Büro der Bezirkstaatsanwaltschaft keine Zukunft gab. Trotzdem wollte er diesen Fall. Er wollte diese Bestie zur Strecke bringen. Die Vorstellung, dass Terry Burgos seiner gerechten Strafe entging, war unerträglich. Burgos war bei seinen Bluttaten berechnend und mit klarem Verstand vorgegangen. Nichts an seinem Verhalten sprach für verminderte Schuldfähigkeit.
Hinzu kam, dass Burgos die Frauen während Rileys Amtszeit ermordet hatte, auch wenn er den Job gerade erst angetreten hatte.
Riley rechnete nach. Der Prozess würde sich sechs bis neun Monate hinziehen. Er würde Terry Burgos verurteilen und dann den Job an den Nagel hängen.
»Aber von jetzt an«, sagte Riley, »habe ich in allen wichtigen Punkten Entscheidungsfreiheit.«
»Ohne Ausnahme.« Der Bezirksstaatsanwalt legte Riley die Hand auf die Schulter. »Und jetzt kaufen Sie sich dieses Schwein.«
Dienstag
21. Juni 2005
16. Kapitel
»Warte, Shelly, warte kurz«, murmele ich und öffne die Augen. Ein kurzer Moment der Panik, der Verwirrung, dann hebe ich den Kopf und erkenne die Straße wieder. Dillard Street. Und ich erinnere mich dumpf daran, gestern eine junge Dame hierher begleitet zu haben, die sich Molly nannte. Ich spähe auf meine Uhr, vielmehr auf das, was von ihr zurückgeblieben ist, ein weißer Streifen Haut auf meinem Arm. Dann begehe ich den Fehler, meinen Hinterkopf zu betasten, der sich nass und schrecklich wund anfühlt. Irgendwie rappele ich mich schwankend auf und wische unwillkürlich über meinen Anzug, der feucht vom Liegen im regendurchweichten Müll ist. Aus dem, was ich da von meinem Smoking streife, könnte man einen halbwegs ordentlichen Salat zaubern.
Ich stehe in einer kleinen Seitengasse der Dillard Street, wo mir in den letzten Stunden ein paar Müllsäcke als Bett gedient haben. Zwar trage ich noch alle Kleider am Leib, aber das ist auch schon alles. Kein Geld, keine Schlüssel. Meine Brieftasche, die Kreditkarten und die Ausweise sind noch da, doch das Bargeld fehlt. Sie haben vermutlich befürchtet, nicht bis zum Limit gehen zu können, bevor ich die Karten sperren lasse. Sie: diese »Molly« und wer auch immer mir den Vorschlaghammer über den Schädel gezogen hat.
Mein Kopf dröhnt, aber ich werde es überleben. Ich atme tief durch, und der Müllgestank meiner Kleider dringt mir in die Nase.
Ich bin auf den ältesten Trick der Welt reingefallen. Jesus, wie kann man so dämlich sein? Ich lasse mich von dieser Frau in eine einsame Gasse locken, ein Mann mittleren Alters, abgefüllt bis zum Kragen. Ihr Partner hätte Clownsschuhe tragen können, und ich hätte ihn nicht kommen hören. Jedes zehnjährige Kind hätte mich ausrauben können.
Zumindest habe jetzt auch ich eine »Ich wurde in der City überfallen«- Story zum Besten zu geben.
Die gute Nachricht ist, ich bin nur knapp zwei Meilen von zu Hause entfernt. Normalerweise halte ich es nicht für sehr gefährlich, nachts hier herumzuspazieren; und wenn ich die Wahrscheinlichkeit bedenke, zweimal in der gleichen Nacht überfallen zu werden, fühle ich mich fast schon immun gegen jeden Angriff. Außerdem habe ich kein Bargeld und damit keine große Wahl.
Also mache ich mich zu Fuß auf den Weg, in der Hoffnung, dabei wieder nüchtern und etwas klarer im Kopf zu werden, doch die Schwerkraft zerrt bei jedem Schritt an mir. Eine Gehirnerschütterung oder ein Kater – oder beides. Die kühle Luft hilft gegen die Übelkeit, trotzdem ist es, als müsste ich gegen eine starke Strömung ankämpfen. Eigentlich möchte ich nach jeder hinter mich gebrachten Straße feiern, dass ich meinem Zuhause wieder ein Stück näher bin, doch ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, die Schmerzen, meine grenzenlose Dummheit und meinen gekränkten Stolz zu verdrängen – und dass ich beim Aufwachen von meiner Ex-Freundin geträumt habe.
Mir gehört ein Ziegelhaus an einer Straßenecke. Ein Einfamilienhaus, das ich vor sechs Monaten gekauft habe. Viel zu groß für mich allein – ein Zuhause für eine ganze Familie, hatte Shelly bei der Besichtigung argwöhnisch bemerkt. Aber mir hatte es gefallen, und es schien mir auch nicht unpassend, dass es vor der Jahrhundertwende einmal einem U.S.-Senator gehörte – vor der Wende zum 20. Jahrhundert, nicht zum 21., versteht sich.
Bevor ich dort einzog, residierte ich in einem
Weitere Kostenlose Bücher