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In Gottes Namen

Titel: In Gottes Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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Ausdruck angenommen. Nach einer angemessenen Pause fügte er leise hinzu: »Die Familie eines Opfers befürchtet, dass das Andenken ihrer Tochter in den Schmutz gezogen wird, und da fünf weitere Morde zur Verhandlung kommen, bittet sie uns, diesen einen Mordfall vorläufig zurückzustellen. Wir würden natürlich niemals einwilligen, sähen wir darin nicht auch eine geschickte juristische Strategie. In diesem besonderen Fall ist es ganz sicher eine gute Strategie.«
    Riley unterdrückte ein säuerliches Lächeln. Mullaney klang, als ob er aus einer Presseverlautbarung zitierte. In seiner Brust schien etwas zu Eis zu gefrieren.
    Der Bezirksstaatsanwalt erteilte Riley indirekt den Befehl, den Mord an Cassie nicht vor Gericht zu bringen.
    »Sie haben es selbst gesagt, Cassies Fall ist der heikelste, Paul.«
    »Das ist richtig.«
    »Beantworten Sie mir folgende Frage«, fuhr Mullaney fort. »Wenn wir Cassies Fall ausklammern, schmälert das Ihre Chancen, diese Bestie zu verurteilen, auch nur im Geringsten?«
    »Nein«, gab Riley zu.
    »Und haben wir dadurch nicht eine zweite Chance, falls er bei den anderen fünf Mädchen wegen Schuldunfähigkeit davonkommen sollte?«
    »Auch das ist richtig.«
    »Also, dann ist ja alles klar.« Mullaney nickte, als wäre es eine abgemachte Sache. »Und kann ich mich darauf verlassen, dass dieser Ausdruck von Ihrem Gesicht verschwindet, sobald Sie dieses Büro verlassen?«
    Riley hatte sich bisher immer zugutegehalten, dass er mit offenen Karten spielte. Und an sich hatte er kein großes Problem mit diesem strategischen Manöver. Es hatte durchaus seine Berechtigung. Aber es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass ein reicher Unternehmer und Wahlkampfspender der Staatsanwaltschaft plötzlich ganz bestimmte Entscheidungen aufnötigte.
    »Die Sache behagt mir nicht«, sagte Riley.
    »Ich habe Sie auch nicht gefragt, ob sie Ihnen behagt.« Mullaney wandte ihm erneut den Rücken zu. »Ich will nur wissen, ob man sich auf Sie als Teamspieler verlassen kann.«
    Paul fühlte, wie der Raum um ihn herum schrumpfte. Er war neu in diesem politischen Amt, aber er war nicht dumm. Soeben hatte der Trainer ihm mitgeteilt, dass er die Auswechslung seines wichtigsten Spielers in Erwägung zog. Und das bei laufendem Spiel. Er würde ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, auf die Reservebank schicken, wenn er nicht nach seiner Pfeife tanzte.
    »Ich habe Sie zu meinem Stellvertreter gemacht und Sie einer Reihe verdienter Mitarbeiter vorgezogen«, sagte Mullaney leise, »weil Sie der beste Prozessanwalt der Stadt sind. Und ich will, dass der beste Prozessanwalt der Stadt diese Bestie zur Strecke bringt.«
    Riley schwieg. Mullaney versuchte, ihm Honig ums Maul zu schmieren. Riley hatte den Job genau deswegen bekommen, weil er ein Außenseiter war – ein Bundesstaatsanwalt, der über dem Filz der Lokalpolitik stand. Vor wenigen Monaten erst hatte es in diesem Büro einen Skandal gegeben, weil bestechliche Staatsanwälte mit korrupten Strafverteidigern und Cops gemeinsame Sache gemacht hatten – und Mullaney hatte mit Absicht jemanden von außerhalb ins Amt gehievt, um der Öffentlichkeit seinen Willen zum Durchgreifen zu demonstrieren. Ein schlichter politischer Schachzug – und Mullaney log, wenn er was anderes behauptete.
    »Ich brauche Ihre Antwort jetzt sofort«, sagte Mullaney.
    Riley räusperte sich und sah den Bezirksstaatsanwalt an.
    »Werden Sie erwachsen, Paul«, sagte dieser ernst. »Sie selbst haben erklärt, es sei eine gute Prozessstrategie. Wenn sich ein Opfer weigert, Anzeige zu erstatten, bringen wir den Fall schließlich auch nicht vor Gericht, oder? Im Prinzip ist es hier das Gleiche, nur dass das Opfer nicht mehr dazu in der Lage ist. Aber die Familie kann es. Sie wollen nicht, dass das Andenken ihrer Tochter noch weiter beschädigt wird. Lassen Sie sich von Ihrem Ehrgeiz – oder Ihrem Stolz – nicht auf den Holzweg führen.«
    Riley erhob sich, schob die Hände in die Taschen und biss sich auf die Lippen. Er konnte nicht glauben, dass ihm hier offen gedroht wurde. Er wusste genau, auf was Ed Mullaney spekulierte – das hier war ein Fall, von dem jeder Staatsanwalt nur träumen konnte. Und er war Paul Riley in den Schoß gefallen.
    Riley blickte über Mullaneys Schulter hinweg hinaus auf die Plaza. Es war ein warmer sonniger Tag. Riley malte sich aus, wie er dieses Büro verließ, den Platz überquerte, drüben bei der Bundesbehörde anklopfte und wieder nach seinem alten Job

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