In Gottes Namen
ihn vorher anzurufen?«
Sie legt den Kopf schief. »Ich nehme mir diese Typen lieber vor, wenn sie einen nicht erwarten. Bevor sie sich ihren Rechtsbeistand besorgen können und alles nur noch komplizierter machen. Unser Täter wird bald wieder zuschlagen. Wir müssen uns also beeilen. Ich hab keine Lust, Zeit mit teuren Anwälten zu verschwenden.«
Sie nickt. »Das Gleiche gilt für den Professor. Er ist nicht auf uns gefasst. Sein Unterricht endet um elf, und wir werden auf ihn warten. Glauben Sie mir, man erfährt mehr, wenn man sie unvorbereitet erwischt.«
»Das wusste ich nicht«, sage ich leise.
»Muss es mich kümmern, was Sie wissen oder nicht?«
»In dem Fall schon.« Ich blicke sie an. »Weil ich Harland Bentleys teurer Anwalt bin.«
»Das soll ja wohl ein …« Sie hebt die Hand, als wolle sie sich selbst Einhalt gebieten. »Seit wann denn das?«
»Seit etwa fünfzehn Jahren. Ich vertrete all seine Firmen. Das ist nicht gerade ein Geheimnis.«
»Mir jedenfalls ist es neu. Haben Sie mit ihm schon über das Ganze hier gesprochen? Über unsere Ermittlungen?«
»Sie rechnen doch jetzt nicht ernsthaft mit einer Antwort?«
Sie fährt an den Bordstein und bremst scharf ab. Ich bin überrascht, dass der Airbag nicht herausplatzt. Sie fährt zu mir herum und ist plötzlich nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt. »Einen Moment mal. Sie vertreten Harland Bentley in diesem Fall?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Ja oder nein?«
»Harland Bentley hat nichts zu verbergen. Entspannen Sie sich, Ricki. Werden Sie nicht hysterisch.«
Ihre Kiefer mahlen, während sie mich wütend anfunkelt. Aus Erfahrung weiß ich, dass Frauen es überhaupt nicht leiden können, wenn man sie der Hysterie bezichtigt.
»Ich mag Sie nicht, Riley«, sagt sie. »Nur damit Sie Bescheid wissen.«
»Den Eindruck habe ich langsam auch.«
»Und Sie werden auch bald einen Eindruck von meinen Handschellen an Ihren Armen haben, wenn Sie glauben, Sie könnten hier ein doppeltes Spiel spielen.«
»Detective Stoletti«, sage ich ruhig. »Legen Sie den Gang wieder ein und fahren Sie zum Campus. Es ist kurz vor elf. Ich werden Ihnen helfen, rauszufinden, wer das getan hat, weil ich es Evelyn Pendry schulde und weil es mich ärgert, dass mir dieser Idiot Briefe schreibt. Und weil Sie, wenn Sie eine ebenso schlechte Polizistin sind wie Ihre sämtlichen Ex-Kollegen von Major Crime, nicht mal einen Katholiken im Vatikan finden würden.«
Sie beißt sich auf die Zunge, während sie knallrot anläuft, dann drischt sie den Gang rein. »Wenn ich dahinterkommen sollte, dass Sie diese Ermittlungen sabotieren, dann werden Sie selbst einen teuren Anwalt brauchen.« Sie gibt Gas und jagt über eine rote Ampel. Ich umklammere die Armlehne und schließe die Augen.
26. Kapitel
McDermott verliert fast eine ganze kostbare Stunde im Büro des Lieutenants beim Gespräch mit Commander Briggs, einigen hohen Tieren der Bezirksstaatsanwaltschaft und dem Pressesprecher des Departments. Eine Versammlung von Politikern, die ständig den Abstieg fürchten und nach Aufstiegschancen schielen. Die meiste Zeit verwendet er nicht etwa darauf, sie über den aktuellen Stand der Ermittlungen zu informieren, sondern ihnen beim Formulieren einer Pressemeldung zu helfen, die sie irgendwann werden herausgeben müssen. Diese Typen haben es zu einer regelrechten Kunst entwickelt, auf hundert verschiedene Weisen nichts zu sagen.
Als er endlich zu seinem Schreibtisch zurückkehrt, wartet dort Carolyn Pendry auf ihn, tigert auf und ab und spricht in ihr Handy. Ihr Schmerz hat sich in stählerne Entschlossenheit gewandelt, was ihm den Umgang mit ihr etwas erleichtert. McDermott mag keine Gefühlsausbrüche bei Opfern oder deren Angehörigen, und im Moment ist das einzige Anzeichen von Trauer ihre leicht verschmierte Wimperntusche. Er hat keine Ahnung, mit wem sie redet, aber es scheint kein sonderlich erfreuliches Gespräch zu sein.
»Ich weiß das zu schätzen«, sagt sie. »Und ja, ich habe Ihre Handynummer.«
Er wirft einen kurzen Blick auf seinen Schreibtisch, der inzwischen überquillt von Unterlagen zu den Mordfällen Fred Ciancio und Evelyn Pendry. Inventarlisten, vorläufige Obduktionsberichte, Fotos, Laboruntersuchungen von Spuren am Tatort beziehungsweise dem Fehlen von solchen.
Schwer zu sagen, ob es sich um einen Nachahmungstäter handelt oder nicht. Aber sein Instinkt verrät ihm, dass der Täter, wer auch immer es ist, lustig so weitermachen wird. Als
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