In Gottes Namen
hast.«
Ich schalte das Handy aus. Ich hocke im Wagen neben Ricki Stoletti und genieße das große Privileg, mit ihr zusammen Professor Frankfort Albany besuchen zu dürfen. Stoletti wirkt müde, und vermutlich trifft das auch auf mich zu. Sie trägt eine Bluse unter einem karierten Jackett und dazu Bluejeans. Kleidungsstücke, die sie sicher nicht erst kürzlich erworben hat.
Sie erzählt mir, dass sie seit zwei Jahren McDermotts Partnerin ist. Vor vier Jahren kam sie zur City Police, nachdem sie fünfzehn Jahre bei der Major Crimes Unit in den Vororten gewesen war. Major Crimes ist ein Zusammenschluss verschiedener Police Departments in den nördlichen Vorstädten, eine bezirksübergreifend arbeitende Einsatzgruppe von Detectives. Ich weiß deshalb so gut darüber Bescheid, weil ich bei einem ihrer Mordfälle als Verteidiger fungiert habe. Wahrscheinlich erklärt das auch Stolettis Feindseligkeit. Ich vertrat einen Typen, der wegen vorsätzlichen Mordes angeklagt war, und ließ die Cops während des Prozesses nicht gut aussehen.
»Warum zuerst Albany?«, will sie wissen und biegt mit dem Camry auf den Zubringer zum Expressway und in Richtung Mansbury College ein. »Weil er mit dem Song so vertraut ist?«
»Weil ich davon ausgehe, dass Evelyn ihn bei ihrer Recherche ebenfalls kontaktiert hat. Und weil er alle wichtigen Personen des Falls kennt. Er hat Ellie Danzinger und Cassie Bentley unterrichtet. Er war Burgos’ Boss. Und er hat alle drei mit dem Songtext bekannt gemacht.«
»Und vielleicht weil er krank im Kopf ist?« Sie blinzelt mich von der Seite an.
»Sie fahren gleich auf den Lexus auf«, teile ich ihr mit. Sie steigt auf die Bremsen. »Irgendwie schon, ja, ich hab diesem Kerl nie wirklich über den Weg getraut.«
»Warum?«, fragt sie. »Spezielle Gründe?«
Keine speziellen Gründe. Nur ein merkwürdiges Gefühl. Irgendwas an diesem Professor hat mich seit jeher irritiert.
»Er war einer Ihrer wichtigsten Zeugen, oder?«
»Könnte man so sagen. Er bezeugte vor Gericht, dass Burgos versucht hatte, sich ein Alibi zu verschaffen. Burgos fälschte die Listen mit seinen Arbeitszeiten, damit es so aussah, als wäre er in der Druckerei gewesen, während er in Wahrheit unterwegs war, um seine Opfer zu verschleppen. Laut diesen Listen hat er immer von sechs bis Mitternacht gearbeitet, aber wir wissen, dass er die Mädchen zwischen neun und zehn Uhr abends entführt hat. Die Listen mit den Arbeitszeiten waren also gefälscht.«
Ich blicke Stoletti an, die den Sinn des Ganzen nicht zu begreifen scheint.
»Sein Versuch, sich ein Alibi zu verschaffen«, erkläre ich, »weist darauf hin, dass er sehr wohl ein Unrechtsbewusstsein hatte. Er versuchte, die drohenden Konsequenzen abzuwenden …«
»Ja, ja, schon klar.« Sie wendet sich kurz zu mir, scheint etwas sagen zu wollen, verkneift es sich dann aber.
»Burgos hatte flexible Arbeitszeiten«, sage ich. »Er konnte arbeiten, wann und wie viel er wollte, solange er das Minimum von sechs Stunden nicht unterschritt. Vorsätzlich schrieb er sechs bis Mitternacht auf. Was ist daran unklar?«
»Nichts, gar nichts.« Sie gibt ein Geräusch von sich, eine Art nervöses Kichern. »Andersherum betrachtet, hatte Burgos somit tatsächlich ein Alibi.« Sie schaut mich an. »Oder etwa nicht? Er war bei der Arbeit, also konnte er die Mädchen nicht ermordet haben.«
Jetzt lache ich, allerdings deutlich entspannter als sie. »Aber es war ein gefälschtes Alibi. Stoletti, wenn er einräumt, dass er diese Mädchen getötet hat – was er getan hat – und anschließend auf Schuldunfähigkeit plädiert – was er ebenfalls getan hat -, dann beweist das Alibi nicht mehr seine Unschuld, sondern das genaue Gegenteil.«
Resigniert hebt sie die Hand.
»Und genau deshalb haben wir den Professor gebraucht. Burgos wollte nicht aussagen, also konnten wir ihn nur mit Hilfe von Albanys Aussage über die gefälschten Arbeitzeitlisten festnageln.«
Stoletti nimmt die Auffahrt des Expressways, und schon sind wir in Richtung Süden unterwegs. Es erweist sich, dass sie noch schneller fährt als ich, was einem vermutlich besonders reizvoll erscheint, wenn man eine Polizeimarke besitzt. Wir entgehen haarscharf einem tödlichen Unfall, als sie einen Lastwagen überholt und wir uns plötzlich einem dieser kleinen Saabs direkt gegenübersehen. Macht richtig Spaß, mit dieser Frau unterwegs zu sein.
»Also war Albany Ihr Hauptzeuge«, folgert sie.
»Einer der Hauptzeugen, sicher. Das
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