In grellem Licht
irgendwie
eklig. Sie wollen zwar Ersatzknie, Ersatzfinger und
Ersatzluftröhren und andere Ersatzteile aus Knorpelmaterial
– und wie sie sie wollen! Gar nicht zu reden von den
Reichen, die unbedingt Ersatzhaut für ihre alternden Gesichter
und Hälse und Oberarme wollen. Was sie nicht wollen, ist der
Gedanke daran, wie und wo diese Ersatzteile wachsen.
Über einem biologisch abbaubarem Polymer->Gerüst<
auf dem weichen Bauch eines Hundes, dem durch entsprechende
Züchtung das Immunsystem fehlt, genährt vom Blutkreislauf
des Tieres. Unter der Haut einer Ratte. Auf dem Rücken eines
Schafes, das sein ganzes immunsystemfreies Leben lang völlig
reglos in Fesseln verbringen muß.
So kam es, daß die Vivifaktion ungeachtet ihrer
weitverbreiteten medizinischen und kosmetischen Nutzung bei
offiziellen Sitzungen nicht allzu offen diskutiert wurde.
Schließlich wurden solche Zusammenkünfte
routinemäßig aufgezeichnet. Sie wurde nicht allzu offen
diskutiert, eine Reaktion darauf fand nicht allzu offen statt, in der
politischen Arena wurde sie nicht allzu offen den Löwen der
öffentlichen Meinung vorgeworfen. Das war eine soziale
Verantwortung, die nicht gemeinsam getragen wurde.
Der Wandschirm zeigte immer noch das Computerbild der drei Affen
von Rekrutin Walders, drei haarige Körper, alle mit demselben
Gesichtchen eines entzückenden Menschenkindes. Glänzend
schwarzes Kinderhaar, blonde Locken, ein wildes rotes Gewirr und dazu
helle Sommersprossen.
»Herr Doktor Clementi, so sehr wir Ihnen verbunden sind
für Ihre wissenschaftliche Beratung in dieser Situation, ist es
doch unerläßlich, daß wir unser
Augenmerk…«
»… auf die Möglichkeiten richten, die diese
Situation hervorgerufen haben könnten, ganz recht«, sagte
ich unbeirrt und lächelte. Sie wußten alle, daß ich
hier war, weil Vanderbilt Grant mich hierhergesetzt hatte. »Wir
wollen ein wenig näher auf diese Möglichkeiten eingehen.
Wie Sie alle wissen, geht es bei der Vivifaktion weder um Sperma noch
um Eizellen; es geht auch nicht um die DNA eines Spenders. Das
benötigte Organ – ein menschliches Ohr, ein Kniegelenk,
eine Leber – wird hingegen direkt aus dem eigenen, schadhaften
Organ des Empfängers gezüchtet, auf oder in einem
Versuchstier ohne jedes…«
Vorsitzender Leonard unterbrach mich: »Ich bin überzeugt
davon, daß uns mittlerweile die Erkenntnisse der Wissenschaft
soweit vertraut sind. Die medizinischen Vorteile der Vivifaktion sind
allgemein bekannt.«
Das sollten sie auch sein. Der Beirat hatte mich oft genug
gezwungen, ihm sämtliche einschlägigen Details wieder und
wieder zu unterbreiten. Es konnte dennoch sein, daß er sich bei
dem, was ich ihm jetzt zu unterbreiten gedachte, zurücksehnen
mochte zu solchen Details der Vivifaktion.
»Doch wie Sie selbst diesem Beirat bereits des öfteren
versicherten«, fuhr Leonard fort, »kann ein Gehirn –
ein ganzer Kopf – mittels Vivifaktion nicht hergestellt
werden. Die Computersoftware wäre nicht in der Lage, etwas so
Komplexes zu entwerfen, geschweige denn das Gerüst, das zu
seiner Heranbildung vonnöten ist… das haben Sie uns
gesagt!«
»Und das stimmt immer noch«, bestätigte ich und
nickte.
»Dann ist das, was Miss Walders behauptet gesehen zu haben,
einfach nicht möglich!« Der Vorsitzende bemerkte
plötzlich, daß das Bild immer noch auf dem Wandschirm zu
sehen war. Gereizt rief er: »Terminal aus!« Das Bild
verschwand.
»Es wäre unmöglich«, erklärte ich,
»wenn diese Schimpansen tatsächlich menschliche Köpfe
auf einem Affenkörper trügen. Aber es wäre nicht
unmöglich, wenn es nur menschliche Gesichter wären, die man
über ihre eigenen transplantiert hat, nachdem der
Affenschädel chirurgisch menschlichen Knochenstrukturen
angepaßt wurde. Dann würden diese Schimpansen nur
menschlich aussehen. Das Gehirn, die Stimmbänder, die
Geruchs- und Hörorgane – alles noch affenartig. Nur die
Sehnerven würden neue Verbindungen erhalten müssen, und das
ist eine Routineoperation.«
»Und die Hände?« platzte Paul Letine, der Neuling,
heraus. Eine Antwort darauf konnte ich mir wohl sparen; die ganze
Welt hatte die Sache mit Rashid Brown verfolgt, dem Baseballstar der
Dallas Dodgers, der seine Hand bei einem dummen Unfall verloren hatte
und sie durch eine neue aus mittels Vivifaktion hergestellter Haut
über elektrisch angetriebenen Plastikknochen ersetzen
ließ.
Susan O’Connor, Mitglied des Expertenteams für
genetische Integrität am Zentrum für
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