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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Seuchenkontrolle,
runzelte die Stirn. »Ich möchte ganz sicher sein, daß
ich Sie richtig verstehe, Doktor Clementi: Es handelt sich hier also
um echte Schimpansen – oder, sagen wir, es könnte sich um
echte handeln –, deren Gesichter mit menschlicher Haut bedeckt
sind, um sie Menschenkindern ähnlich zu machen, was sich jedoch
nicht auf die Körper bezieht, die immer noch affenartig
aussehen…«
    »… zumindest solange man sie nicht in Kleidchen und
Schühchen steckt«, sagte ich. Ich merkte, worauf sie
hinauswollte.
    »… und diese ganze Vivifaktion mit ihren komplizierten
medizinischen Vorgängen und den unerläßlichen
keimfreien Räumlichkeiten für Tiere ohne Immunsystem –
all das wurde in einem Lagerhaus bewerkstelligt? Von
Unbekannten, wahrscheinlich jedoch Wissenschaftlern, über die
beim FBI nicht ein einziges Dossier existiert? Ich habe es
nachgeprüft, Doktor Clementi, es existiert keines. Also wurde
dieses ganze geheime, technisch höchst anspruchsvolle Verfahren
kaum zwanzig Kilometer vom Sitz der Regierung und vom
Justizministerium entfernt ausgeführt – mit großem
finanziellem Aufwand, von hervorragend ausgebildetem Personal…
Es tut mir leid. Diese Theorie kann ich nicht akzeptieren. Sie
scheint mir in keiner Weise plausibel.«
    »Und warum sollte jemand so etwas tun?« fragte
Letine.
    Ah, diese Grünschnäbel. Sie wissen nie, welche Fragen
man nicht stellen soll, weil keiner will, daß die Antwort in
den Aufzeichnungen aufscheint. Ich bedachte ihn mit einem
Lächeln.
    »Sie sind neu in diesem Ausschuß,
Kongreßabgeordneter. Vor mehr als zwei Jahren erhielten wir
alle hier eine Prognose des Nielson-Instituts mit spekulativen
Szenarien auf dem Gebiet der Vivifaktion. Eine solche Spekulation
betraf verschiedene Möglichkeiten, Haustiere zu erschaffen, die
sich zu noch mehr Vermenschlichung eignen als zu jener, der der
durchschnittliche Tierhalter auch heute schon zuneigt.«
    Er begriff es immer noch nicht. »Aber warum?«
    Langsam wurde ich müde. Rosaria, der Angriff ihrer Mutter,
das Einrichten meiner gebrochenen Finger… In diesen Tagen wurde
ich leicht müde. Aber ich war darauf gefaßt.
Üblicherweise hatte ich mich soweit in der Gewalt, daß
niemand etwas davon bemerkte – bis auf Maggie, der es nicht lang
verborgen blieb.
    Der Kongreßabgeordnete Letine hätte jedenfalls die
Antwort auf seine Frage gefunden, wenn er nur ein wenig nachdachte:
Die künstliche Befruchtung funktioniert nur bei achtzehn Prozent
der Paare, die sich ein Kind wünschen – und natürlich
auch nur dann, wenn sie sich die Prozedur überhaupt leisten
können. Und die in-vitro -Befruchtung mit einer
Erfolgsrate von vierundzwanzig Prozent kostet noch mehr. Ein normales
Paar benötigt durchschnittlich 2,6 Versuche einer der beiden
Methoden, um zu einer Schwangerschaft zu kommen. Das Genbankengesetz
beschränkt jedoch die erfolgreiche Befruchtung durch eine
einzelne Samenspende auf maximal zweiundvierzig Frauen. Es gibt so
wenige Männer mit befruchtungsfähigem Sperma, daß
eine noch stärkere Inzucht in ein paar Generationen verheerende
genetische Konsequenzen hätte. Berechnungen haben das
bestätigt.
    Die Folge ist, daß viele Menschen – von den Millionen,
die keine eigenen Kinder haben können – alles tun
würden, um zu einem Kind zu kommen. Alles.
    Auf legale Weise über die Kinderfürsorge von armen
Leuten.
    Oder eines stehlen.
    Oder eines kaufen – ein einheimisches oder ein importiertes.
Obwohl Kinder aus der Dritten Welt – aus wissenschaftlich
betrachtet logischen Gründen, die mich keiner erwähnen
ließ – noch rarer waren als hausgemachte.
    Oder, wenn die Möchtegerneltern nichts von alldem tun wollten
oder konnten, dann machten sie ihre Schoßtiere zu
Ersatzkindern. Im ganzen Land saßen Hunde in hohen
Kinderstühlchen an der Mittagstafel und wurden Katzen zu
Universalerben. Eine Frau in Los Angeles, traurig und einsam, brachte
sich um, als ihr Häschen starb.
    »Es gäbe einen enormen Markt für Schimpansen, die
wie Babies aussehen«, sagte ich müde zu Letine. »Bei
Leuten, die keine Kinder haben können und verzweifelt nach jedem
Ersatz greifen, dessen sie habhaft werden.« Mit einer hell
getönten Haut, braunen Augen und androgynen Zügen, die
allgemein verwendbar wären – als Weiße, Farbige,
Südamerikaner oder Asiaten, als männlich oder als weiblich
– und die nur ein wenig Abwandlung beim Haar oder bei den
Sommersprossen benötigen würden. Und man brauchte keinen
Gedanken

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