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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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einer
öffentlichen Toilette wieder zu Luft zu kommen – ich bin
gewaltig außer Form, seit ich vom ZD weg bin – und
überdenke Atulis Reaktionen. Es war, als wüßte er überhaupt nichts von den Schimpansen. Wie kann es das
geben? Er war doch dabei! Nick hat es mir genau erklärt: Atuli
muß stundenlang in irgendeinem Apparat gelegen haben und dabei
wach gewesen sein, damit der Apparat funktioniert. Wie kommt es also,
daß er nichts davon weiß?
    »Stop, Cameron! Augenblicklich! Deshalb hattest du ja die
Operation!«
    Eine Erinnerungslöschung!
    Ich hatte auf Informationen gehofft von jemandem, dem man alle
Informationen gelöscht hat! Der nicht einmal mehr seinen eigenen
Namen wüßte, wenn er ihn nicht neu gelernt hätte. Was
für ein toller Schnüffler ich doch bin!
    Ich lasse mich auf den Toilettensitz fallen, bereit aufzugeben.
Nach Washington zurückzugehen, meiner Vorladung zur Vernehmung
Folge zu leisten (was ich in jedem Fall möchte; Nick war
wirklich anständig zu mir, für so ‘nen morschen
Knochen) und mir vom Richter einen Klaps auf die Finger geben zu
lassen. Und was dann? Aufgeben, die Armee vergessen und vor einem
Bildschirm versauern, auf dem ich den ganzen Tag lang Kartoffeln von
einem Lagerhaus ins andere verlege?
    Nein. Da sterbe ich lieber. Ich muß in die Armee, und
um das zu erreichen, muß ich beweisen, daß meine
Geschichte mit den Schimpansen wahr ist. Aber Cameron Atuli erinnert
sich nicht an die Schimpansen. Was nun?
    »Stop, Cameron! Augenblicklich! Deshalb hattest du ja die
Operation!«
    Sein Liebhaber erinnert sich. Was auch immer Atuli widerfahren ist
und dazu führte, daß man ihm seine Erinnerung
gelöscht hat, sein Liebhaber weiß es. Und vielleicht
weiß der Liebhaber auch, wo und durch wen das geschehen ist
– oder irgend etwas anderes, in das ich mich verbeißen und
damit beweisen kann, daß meine Geschichte wahr ist.
    Ich strecke mich und verlasse die Toilette, die jetzt, da ich es
bemerke, genauso stinkt wie alles andere in dieser Stadt. Ich werde
froh sein, wieder rauszukommen. Das Ballettpack fährt
nächste Woche auch nach Washington zurück. Und dort werde
ich einen nächsten Versuch starten. Diesmal bei Robert
Radisson.
     
    Vierzig Minuten vor dem angesetzten Gerichtstermin komme ich nach
Washington zurück. Die Vernehmung ist eine flotte Sache. Ich
stehe neben Nick, der zwar an diesem Tag aussieht wie ausgekotzt,
aber deswegen bleibt er trotzdem ein reicher, bedeutender Mann. Ich
trage ein weißes Kleid, das ich auf dem Weg zum Gericht geklaut
habe. Das Haar habe ich mit einem Band hinten zusammengefaßt.
Ich neige den Kopf ein wenig und spreche leise. Kurz gesagt, ich
versuche auszusehen wie ein verwaistes nationales Kleinod, das nichts
weiter braucht als ein wenig gütige Orientierungshilfe. Der
Richter gibt mir Bewährung.
    »Sie kleine Schwindlerin«, sagt Nick vor dem
Gerichtsgebäude zu mir. Er muß sich an die Mauer lehnen.
»Wo waren Sie die letzten drei Tage?«
    »New York«, sage ich, und er erfaßt es sofort. Er
mag zwar demnächst ins Gras beißen, aber sein Hirn
funktioniert noch prima.
    »Das Aldani-Ballett ist dort auf Tournee! Sie sind
hingefahren, um an Cameron Atuli heranzukommen!«
    »Und es hat nichts gebracht«, sage ich, und es ist mir
zutiefst zuwider, es zugeben zu müssen. »Er erinnert sich
an nichts. Hatte eine Erinnerungslöschung.«
    Nick reagiert nicht. Er sagt nur: »Sind Sie sicher? Verraten
Sie mir, weshalb Sie das glauben.«
    Also gehe ich die ganze Geschichte durch und lasse nichts aus.
Erzähle sie ehrlich.
    »FBI«, murmelt Clementi, als würde er versuchsweise
einen Gedanken wälzen. Aber er wirkt immer noch nicht wirklich
überrascht – was mich überrascht.
    »Und was haben Sie herausgefunden, während ich
weg war, Nick?«
    »Nichts«, sagt er; er lügt. Plötzlich bin ich
fuchsteufelswild – auf ihn, weil ich dachte, er wäre auf
meiner Seite. Und auf mich selbst, weil ich das auch nur eine halbe
beschissene Sekunde lang angenommen hatte. Keiner ist auf deiner
Seite außer dir selbst.
    Er sagt: »Gehen wir nach Hause.«
    Und so kann ich nicht einmal zeigen, wie wütend ich bin, denn
er gibt mir immer noch eine Bleibe. Und wenn ich die Bleibe verlasse,
dann finde ich nie heraus, was er weiß und ich nicht. Also
nehme ich seinen Arm, und wir setzen uns langsam Richtung Taxistand
in Bewegung. Er ist wackelig auf den Beinen. In den paar Tagen, die
ich ihn nicht gesehen habe, ist es deutlich bergab gegangen mit
ihm.
    Na und?

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