In grellem Licht
konnte es nicht
ertragen. Ich mußte dich noch einmal sehen, koste es, was es
wolle. Also habe ich mitten in der Nacht den Vollzugsbeamten vor der
Tür bestochen…«
»Womit?« frage ich interessiert.
Radisson läuft umgehend hellrot an. Ach so ist das! Bei den
Arschfickern funktioniert das genauso! Aber dann sagt Radisson:
»Mit meinen gesamten Ersparnissen«, und ich sehe, daß
das Rotwerden sich nur auf das Verbrechen der Beamtenbestechung
bezogen hat. Tänzer sind komische Vögel.
»Also sind Sie rein, um Atuli mitten in der Nacht zu
sehen«, sage ich. »Das ist jetzt der wichtigste Teil,
Radisson. Erzählen Sie, was er gesagt hat. Jede
Einzelheit.« Ein fürchterlicher Gedanke kommt mir:
»Hat er am Ende bloß irre vor sich
hingestammelt?«
»Nein. Er… sie hatten dir irgendein Medikament gegeben,
Cam. Um dich zu beruhigen. Du hast geweint, aber still und
lethargisch, so als gäbe es nichts mehr für dich,
wofür es sich lohnte zu leben. Daran waren die Medikamente
schuld. Aber du hast mich erkannt, und wir haben gesprochen und
wir… haben uns geliebt. Ich dachte, es wäre
möglicherweise das letzte Mal, denn es hieß, nach der
Operation dürfe ich dir nicht einmal sagen, wie wir zueinander
gestanden hatten… oder irgend etwas anderes von der
Vergangenheit. Ich müsse es dir überlassen, dich
zurechtzufinden. Also kroch ich in dieses schmale Bett zu dir
und…«
»Nichts von dem perversen Zeug!« unterbreche ich ihn.
»Erzählen Sie bloß, was Atuli zu Ihnen sagte!«
Radisson hat nicht mal einen Seitenblick für mich übrig.
Seine Augen kleben an Atuli. »Du sagtest, drei Männer
hätten dich gepackt und in einen Wagen gezerrt. Du hast
geschildert, wie sie dir Gewebeproben entnahmen und die MOSS-Werte
feststellten und dir dann ein PornHolo vorführten, weil
sie… eine Samenprobe von dir wollten. Aber du konntest
nicht…«
Kein Wunder, denke ich, das PornHolo drehte sich vermutlich um
Mädchen. Aber ich halte das Maul.
»… also sagte einer der Männer: >Na, dann nehmen
wir eben die ganze Sache und testen hinterher. Wir löschen ihn
ohnehin.< Und… das haben sie dann getan.«
Er hält inne. Ich brauche noch einen Haufen Einzelheiten,
aber nicht unbedingt jetzt gleich. »Radisson«, sage ich,
»haben die irgend etwas verlauten lassen – irgend etwas,
das Atuli Ihnen gegenüber erwähnt hat und aus dem man
schließen könnte, daß sie wußten, was für
ein weltberühmter Tänzer er ist?«
»Nein«, antwortet Radisson.
»Erwähnte Atuli etwas über die Örtlichkeit, wo
das alles gemacht wurde, oder darüber, wohin Atulis Eier und
Gewebeproben gehen sollten? Oder haben die Männer einander bei
irgendeinem Namen genannt?«
»Ja«, sagt Radisson, und ich halte die Luft an. Atulis
Gesicht ist immer noch aus Stein.
Radisson sagt, und diesmal zu mir: »Cam erzählte, er
wäre genau fünfundfünfzig Minuten im Wagen gewesen.
Sie hatten ihm das Armband nicht abgenommen, und er stellte den Timer
ein. Sie verbanden ihm auch nicht die Augen. Er verließ den
Wagen auf einem Parkplatz, der mit Unkraut völlig
überwachsen war. Er konnte einen Blick auf das Gebäude
gegenüber werfen. Es war aus Betonplatten gebaut, wie es
früher einmal gemacht wurde, und die Fenster waren mit Brettern
vernagelt. Auf dem Gebäude stand in ausgebleichter Farbe: KANG
LTD. Cam konnte das Meer riechen und Möwen am Himmel sehen. Die
Männer nannten einander >Zuger<, >Meyerhoff< und
>Doktor<. Er beschrieb sie mir. Sie diskutierten in seiner
Gegenwart die Frage, an welchen von zwei möglichen
Empfängern sie die Gewebeproben senden sollten, und sie
entschieden sich für >Emily Jogerst< in Philadelphia, weil
sie über die besten Kontakte verfügte, auch wenn sie nicht
die höchsten Preise zahlte.«
»Du lieber Himmel!« ist alles, was mir dazu
einfällt. Jetzt ist es heraußen. Die Dreckschweine waren
viel zu sorglos! Sie hatten vor, Atuli ohnehin umzubringen, also war
es völlig egal, was er alles hörte oder nicht. Und so haben
wir echte Namen und Örtlichkeiten.
Wir – und das FBI, natürlich. Aber ein Fall wie dieser
– Atulis Gesicht auf den Schimpansen – wäre im selben
Moment, in dem Anklage erhoben wird, auf jedem Bildschirm gewesen.
Was heißt, daß entweder noch keine Anklage erhoben wurde,
weil die Bundesbullen die Sache durchziehen wollen und noch bei den
Ermittlungen sind, oder daß sie auf dem ganzen Fall sitzen. Was
von beidem?
»Wem haben Sie noch davon erzählt?« frage ich
Radisson.
»Niemandem.«
»Dem
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