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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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ertrinken. Ich
existiere nicht.
    »Okay, hört auf damit«, sage ich und setze mich
hin. »Nicht hier, verdammt! Radisson, wir haben ein paar Fragen
an Sie. Wichtige Fragen.«
    Radisson sieht Atuli an, und der sagt: »Das ist Shana
Walders. Ja, genau die. Sie hat mir da ein paar Dinge erzählt,
Rob, von… von meiner Operation. Dinge, die du bereits
weißt, und Dinge, die du nicht weißt. Willst du uns
helfen?«
    »Helfen – wobei?« fragt Radisson, und ich sehe,
daß ihm die Sache nicht gefällt. Aber Atuli ist wieder
stahlhart und böse, und Radisson will nicht den nächsten
Krach riskieren, jetzt, wo er sein Schätzchen gerade wieder
zurückgekriegt hat. Warme Brüder.
    »Beim Herausfinden, wer ihm die Eier abgerissen hat«,
antworte ich. Ich sage hier, wo’s langgeht.
»Berichten Sie uns alles, woran Sie sich erinnern
können.«
    Radisson zögert, und Atuli sagt mit brüchiger Stimme:
»Bitte.«
    »Am neunzehnten Januar hast du Aldani House verlassen, um
einkaufen zu gehen«, sagt Radisson mit leiser Stimme. »Ich
sollte nicht mitkommen, weil du ein Geburtstagsgeschenk für mich
besorgen wolltest. Und danach warst du einfach…
verschwunden.«
    »Hat denn keiner von Aldani House die Bullen
verständigt?« frage ich.
    »Nicht sofort. Du weißt, Cameron, die Polizei kommt
nicht wegen eines abgängigen Erwachsenen, nur wegen eines
Kindes. Und Mister C. wußte, daß wir, du und ich,
einen… Streit hatten.«
    »Mister C. wußte das?« fragt Atuli, und ich
verstehe den gequälten Unterton in seiner Stimme nicht.
    »Wer ist Mister C.?«
    Sie sehen mich an, als wäre ich plötzlich lila
angelaufen. »Mister Collelouri«, sagt Radisson
schließlich. »Der Choreograph.«
    Erwarten offenbar, die beiden Tücken, daß ich
weiß, was das sein soll. Aber ich nicke bloß, und
Radisson fährt fort: »Bevor wir noch die Polizei rufen
konnten, ist schon das FBI aufgetaucht. Sie sagten, sie hätten
dich bei einer Razzia in einem illegalen Vivifaktions-Labor in
Baltimore gefunden. Und daß du… schwer verletzt
wärst. Mister C. und Melita fuhren ins Krankenhaus, und ich
wurde so hysterisch, daß sie mich auch mitnehmen
mußten.«
    »In welches Krankenhaus?« frage ich.
    »Carter Memorial. Ein Beamter der Bundespolizei stand Wache
vor deinem Zimmer. So viele Leute kamen und gingen – FBI-Beamte,
Ärzte und so weiter. Sie wollten mich nicht zu dir lassen. Die
Typen sagten, du wärst verwirrt, hättest eine Art
posttraumatische Psychose. Nach drei Tagen nahm mich
schließlich Melita zur Seite und sagte mir, sie würden
eine induzierte retrograde Amnesie bei dir vornehmen, weil du sonst
den Verstand verlieren würdest; die Alternative dazu wäre,
hieß es, dich auf Dauer unter so schwere Medikamente zu setzen,
daß du nicht mehr tanzen könntest.«
    »Und so haben sie eben seine Erinnerungen
gelöscht«, warf ich ein, »damit sie nicht einen guten
Tänzer verlieren, bei dem die Kasse klingelt.« Und wieder
sehen die beiden mich an, als wäre ich ein verfaulter Fisch.
    Atuli sagt zu mir: »Die Alternative war nicht mehr zu
tanzen!«
    »Na und? Sie könnten ja was anderes machen.«
    Atuli schüttelt den Kopf. Er hält wiederum Radissons
Hand. Gut, daß die Bruchbude leer ist. »Das gleiche
passierte, als wir mit diesem Ballett über die Fruchtbarkeit
begannen… auf einer gewissen Ebene wußte mein Gehirn von
alldem. Auch wenn ich nichts wußte. Irgendwie hängt
das alles zusammen: das Tanzen und… was sie mit mir gemacht
haben… Sprich weiter, Rob.«
    Aber ich sage: »Und wer hat unterschrieben? Für die
Operation, meine ich. Wenn er selber nicht ganz bei Trost war,
hätte ein Familienmitglied die Zustimmung geben
müssen.«
    Atulis Hand schließt sich fester um die seines Liebhabers.
Mit einemmal ist mir klar, daß er jetzt erst erfährt, ob
er überhaupt eine Familie hat! Aber Radisson sagt zu mir:
»Mister C. hat unterschrieben. Cameron hat nur einen Onkel und
Cousins, die ihn alle rausgeworfen haben, weil er… weil er
Männer liebt. Also hat Mister C. unterschrieben.«
    Anscheinend finden sie daran nichts Besonderes, aber ich
weiß es besser. Atuli war ja nicht minderjährig, und
dieser Mister C. hatte kein Recht, für ihn zu unterschreiben.
Irgendwer hat da die Vorschriften in alle Himmelsrichtungen
gebogen!
    »Ich wußte, was eine induzierte Amnesie zu bedeuten
hatte«, fährt Radisson mit heiserer Stimme fort. »Du
würdest dich nicht einmal an mich erinnern, Cam. Und nicht
daran, was wir einander bedeutet hatten. Ich

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