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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Ihnen das Leben
gerettet zu haben«, bemerke ich und drehe mich um, um meine
Kombinationen mit dem anderen Bein zu wiederholen. »Ich
weiß jedenfalls, daß es mir leid tut.«
    »Weil’s Ihnen bloß darum geht, im affigen
Ballettröckchen über dem Arsch auf einer Bühne
herumzuhopsen! Tanzschwuchtel!«
    »Banausin!«
    »Was ist das?«
    Unwillkürlich muß ich lachen. Es ist kein
fröhliches Lachen. Shana Walders ist die unerquicklichste
Person, der ich je begegnet bin. Sie konfrontiert mich andauernd mit
Dingen, an die ich nie mehr denken wollte, und sie fährt selbst
jetzt, da wir in Sicherheit sind, damit fort. Denn wir sind
zweifellos in Sicherheit. Dies hier ist nicht irgendeine sadistische
Folterkammer, wo man Menschen in Stücke schneidet, um sie zu
ermorden oder um ihre Gesichter auf Schimpansen zu
übertragen… Aber ich will jetzt nicht daran denken. Ich
weigere mich, daran zu denken. Wir sind hier in der Bundeshaftanstalt
Cunningham in Washington, D.C. wo wir uns vorübergehend in
Schutzhaft befinden, bis es Doktor Nicholas Clementi ermöglichen
kann, mit uns zu sprechen. Das hat man uns gesagt. Wir sind hier zu
unserer eigenen Sicherheit, und ich für mein Teil bin gar nicht
unglücklich darüber – oder wäre es nicht, wenn
ich nicht wüßte, daß Rob krank vor Sorge um mich
ist, und wenn der Boden nicht aus Beton wäre.
    »Lachen Sie nicht über mich, Atuli!« zischt
Shana.
    »Dann reden Sie nicht dauernd dummes Zeug.« Pliés, battements, ronds de jambe,
développés.
    »Sie mucken wohl nie auf, wie? Egal, was man Ihnen antut, ob
man Ihnen nun die Eier abschneidet oder Sie einsperrt, Sie stecken
einfach alles ein.«
    Sie versucht mich zu ködern. Ich senke mein Bein langsam in
einem développé – fünf, sechs, sieben,
acht –, bevor ich sage: »Ich habe Ihnen schon wiederholt
erklärt, daß es nicht dieselben Menschen sind, die
für diese beiden Dinge verantwortlich sind! Es waren Verbrecher,
die uns gequält haben. Und es war der Staat, der uns gerettet
hat! Sehen Sie denn da überhaupt keinen Unterschied?«
    »Der Staat hat mich reingelegt!« brüllt sie. Sie
verliert zusehends die Kontrolle; es ist ihr wirklich
unerträglich, eingeschlossen zu sein. »Ihr beschissener
Staat läßt mich bloß deshalb nicht in die Armee,
weil mir zufällig ein paar Affen unterkamen, die Ihr Gesicht
hatten!«
    Da ist es wieder: Sie läßt mich nicht vergessen. Ich
drehe mich in die andere Richtung, damit ich sie nicht sehen
muß, obwohl ich mit dem rechten Bein noch nicht ausgiebig genug
gearbeitet habe. Ich hebe das linke. Pliés, battements,
ronds de jambe, développés.
    Shana stürmt durch unsere Zelle und tritt so fest gegen das
Sofa, daß es umkippt. Gerade noch rechtzeitig springe ich
zurück. »Blödes Weib! Wenn mich dieses Ding am Knie
getroffen hätte…«
    »Scheiß auf Ihr Knie, Atuli! Wie kann Ihnen das alles
bloß schnuppe sein? Es geht doch nicht nur um die kleinen
Cameron-Affen! Ich sagte Ihnen doch, was ich in diesem Loch gesehen
habe! Ein paar von diesen rausgeschnittenen Gebärmuttern wurden
mit Ihrem Sperma aus Ihren Eiern angebufft, um Ihre Babies zu machen!«
    Es schaudert sie; was sie in diesem Labor sah, hat sie auf eine
Weise erschüttert, die ich nicht nachvollziehen kann. Das sind
nicht meine Babies, von denen sie spricht, auch wenn man meine Gene
dazu benutzt. Samenspender machen das andauernd. Aber sie hat es
wieder erwähnt, das, was sie mich nie vergessen lassen will: die
Tiere mit meinem Gesicht. Irgendwo da draußen. Die sich
benehmen wie Tiere, ihre Lefzen zurückziehen, um ihre
Reißzähne zu fletschen, die grunzen wie Tiere, ihre
Kleider oder den Boden beschmutzen, sich nach Flöhen absuchen,
um sie zu fressen, die stinken und torkeln und sinnlos grinsen –
mit meinem Gesicht!
    »Hören Sie auf damit, Shana! Bleiben Sie mir vom
Leib!«
    »Meine Güte, wenn ich das nur könnte, Sie
Scheißkerl!«
    Ich geh ins Bad und schließ die Tür – die einzige
Möglichkeit, um von ihr wegzukommen. Doch selbst im Bad werde
ich die gräßliche Erinnerung an diesen Kleinen nicht los,
der neben mir steht und mich mit meinen eigenen Augen anstarrt, der
mich anzirpt und sich dann mit langen, gebogenen haarigen
Füßen den Vorhang hinaufschwingt…
    Ich bedecke mir das Gesicht mit den Händen und lehne mich an
die Wand.
    Doch nach einem Weilchen richte ich mich auf. Der Waschtisch ist
zwar nur hüfthoch, aber der Handtuchhalter ist höher
angebracht und scheint fest an der Wand montiert zu

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