In grellem Licht
Aktivitäten zu tolerieren. Warum dann nicht auch die
Ermordung von Zeugen tolerieren? Wo liegt der Unterschied? Ihr
erlaubt doch den illegalen Labors jetzt schon zu morden! Und genau
das hätten sie mit Cameron Atuli vorgehabt, wenn das FBI nicht
im letzten Moment eingegriffen hätte, oder?«
»Aber das FBI hat eingegriffen«, sagte Van. »Weil
wir eben nicht willens sind, Mord zu tolerieren.«
»Du meinst, ihr könnt da eine Grenze ziehen«, sagte
Maggie eisig. »Soviel Böses ist okay, aber nicht mehr! Und
du denkst, ihr könnt jedermann dazu zwingen, sich an eure Grenze
zu halten, richtig?«
»Ja!« röhrte Van unvermutet auf. »Weil wir das
müssen! Verdammt, Maggie, meine Aufgabe ist es, Resultate zu
bringen! Und wenn die Regierung es in Übereinstimmung mit der
öffentlichen Meinung soweit kommen läßt, daß
dies der einzige Weg bleibt, zu Resultaten zu kommen, dann werde ich
ihn beschreiten, jawohl, und tolerieren und durchsetzen, was, zum
Henker, auch immer dazu nötig ist!«
»Und du willst, daß auch Nick es toleriert. Deshalb
bist du doch hier, nicht wahr?« Maggie stand auf und starrte Van
an: ein Meter sechzig gegen ein Meter fünfundneunzig. »Du
kaufst dir sein Stillschweigen. Indem du ihm das Leben rettest. Damit
er Shana Walders und Cameron Atuli unter Kontrolle hält und
für ihr Schweigen sorgt, weil du es nicht kannst.« Ein
neuer Gedanke kam ihr, denn mit einemmal wirbelte sie herum und sah
mich an – und, bei Gott, ich konnte die plötzliche
Erleichterung in Van Grants muskulösem Körper richtiggehend spüren.
»Und was hast du herausgefunden, Nick?« rief
Maggie. »Was du mir nicht gesagt hast und offenbar auch nicht
vorhattest, mir zu sagen?«
Ich sah Vanderbilt Grant an. Es war schwer, die Worte
auszusprechen. »Daß sie beide tot sind, nicht wahr?«
sagte ich. »Maggie irrt sich. Shana oder Cameron oder beide
– sie sind schon tot. Sie haben sich mit euren geschützten
illegalen Vivifaktions-Labors angelegt, sind ihnen auf die Zehen
getreten, und ihr…«
»Nein. Sie sind nicht tot«, stellte Van entschieden
fest. »Maggie hat recht. Walders und Atuli sind in Schutzhaft.
Völlig isoliert in einem Bundesgefängnis, aber viel
länger können wir sie dort nicht behalten. Deine dummen
Kinder haben sich zu weit hineingewagt, und wir mußten sie da
rausziehen, sonst… wir mußten sie da rausziehen. Und
wir haben es auch getan! Wir sind keine Mörder, Nick, und es
war verdammt gut, daß wir dein VidPhon angezapft hatten. Atuli
geriet an deine Nachricht über McCullough und wollte an deiner
Stelle zu dem Treff gehen… Ein mutiger Junge. Er… mein
Gott, was für haarsträubende Risiken diese jungen Leute
eingehen!«
Nach einem Moment kam ihm zu Bewußtsein, was er soeben
gesagt hatte. Die haarsträubenden Risiken, die diese jungen
Leute eingehen. Die gleichen haarsträubenden,
lebensbedrohenden Risiken, die die illegalen Labors eingingen. Mit
dem Unterschied, daß Shana und Cameron ihr eigenes Leben
riskiert hatten, und die Labors nur das Leben von anderen
riskierten.
Aber es war das Leben von wieder anderen – eines ganzen
Landes voll anderer –, für dessen Chance sich
fortzupflanzen Van kämpfte.
»Nick?« sagte Van. Er ließ mich nicht aus den
Augen.
»Ich werde es mir überlegen«, seufzte ich. »Ob
ich mit Shana und Cameron rede. Um für ihr Schweigen zu sorgen.
Aber ich kann nichts versprechen, Van. Ich denke erst mal
darüber nach.«
»Und wie erfahre ich von deiner Entscheidung?« fragte
er, plötzlich ganz niedergeschlagen. »Und wann? Ich kann
sie nicht viel länger im Gefängnis festhalten. Sonst
fressen sich die Bürgerrechtsanwälte in mir fest wie Maden
im Aas.«
Ich dachte nach. »Drei Tage. Donnerstag. Ich möchte erst
mit Shana und Atuli sprechen. Der Arzt sagt, ich darf nach Hause;
kannst du für unseren sofortigen Heimtransport sorgen und auch
dafür, daß ich die beiden jungen Leute dort besuchen kann,
wo du sie versteckt hältst?«
Van nickte wortlos. Er war immer noch der meisterhafte
Showstar/Politiker – er wußte genau, wann der rechte
Moment war, die Bühne zu verlassen. Seine Schritte hallten
über den Krankenhauskorridor, und weder Maggie noch ich
sprachen, solange das Geräusch zu hören war. Dann stand sie
auf, ging zum Fenster und starrte hinaus. Selbst auf diese Entfernung
sah ich das grüne Kleid als bunten Farbtupfer, doch ihr Kopf und
die Hände waren verschwunden wie die eines Gespensts.
In die angespannte Stille sagte sie plötzlich:
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