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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Enthaftung auf Kaution – aus Gründen
der Staatssicherheit. Oder man hätte den >medizinischen<
Weg beschreiten können: Drogen, die Psychosen hervorrufen, einer
von uns tötet die anderen beiden – und dieser eine darf
natürlich nie mehr freigehen. Eine schreckliche Tragödie.
Und alles von der Überwachungskamera aufgezeichnet. Oder man
schloß uns einfach ein und warf den Schlüssel weg.
    Doch von Vans Standpunkt aus betrachtet wäre es
natürlich nicht leicht gewesen, das, was ich wußte, von
der Presse fernzuhalten. Wem hatte ich es noch erzählt? Maggie
sicher. Was würde er ihretwegen unternehmen? Und wem hatte ich
es noch gesagt? Van wußte es nicht. Er studierte mein Gesicht,
während Shana grinste wie das naive Ding, für das sie sich
nicht hielt, und ich sah, wie er das Risiko, uns für immer zum
Schweigen zu bringen, abwog gegen das Risiko einer vom Staat
unterstützten Offenlegung der gesamten Durchwucherung des
amerikanischen Materialismus mit synthetischen Chemikalien.
    Ich erkannte den Moment, in dem er einen Entschluß
faßte.
    Schließlich ist eine Offenlegung nur der erste Schritt.
Der Offenlegung müssen Taten folgen, und Taten brauchen viel
Zeit, wenn die Erkenntnisse so gegensätzlicher Natur sind, wie
es in Anbetracht der zahlreichen daran beteiligten mächtigen
wirtschaftlichen Kräfte hier wohl der Fall sein würde. Wenn
aus der Geschichte etwas zu lernen war, dann dies. Selbst wenn die
Konferenz schlüssig und ohne jeden Funken eines Zweifels bewies,
daß synthetische endokrine Disruptoren zur Auslöschung der
menschlichen Rasse führen mußten – selbst wenn wir
das beweisen könnten, würde es lange dauern, etwas daran zu
ändern. Sehr lange. Und bis dahin würde Vanderbilt Gmnt
vermutlich ohnehin tot sein.
    Das ist der größte, wenngleich vielleicht der
einzige Triumph der Alten: Keiner kann uns zwingen, die Schweinerei
aufzuräumen, die wir zurücklassen.
    »Okay, Nick«, sagte Van. »Du kriegst deine
Konferenz.«
    »Arschklar, Mann!« rief Shana.
     
    »In den kommenden beiden Jahren«, sagte Van mit seiner
packenden Stimme, »wird dieses erstklassige Gremium hundert
Prozent seiner Zeit und Energie der Untersuchung zweier
lebenswichtiger Fragen widmen: Welche sind die Ursachen der
Bevölkerungskrise? Und: wie können wir diese Ursachen an
der Wurzel bekämpfen? Diese Wissenschaftler werden allen
Theorien nachgehen, von jenen, die die Ursachen in natürlichen
Zyklen des Körpers vermuten, über jene, die
Umwelteinflüsse auf diese Zyklen dafür verantwortlich
machen, bis zu denen, die vorgeburtlichen Einflüssen und der
Säuglingsernährung die Schuld geben. Wir werden mit voller
Kraft ans Werk gehen…«
    Er benutzte tatsächlich diese Redewendung. Ein Maßstab
für Vans Angespanntheit. Normalerweise vermied er sowohl
Banalitäten als auch Gemeinplätze. Seine rechte Hand, das
konnte ich durch intensives Zusammenkneifen der Augen erkennen,
steckte in seiner Jackentasche; so würde das Zittern nicht auf
Vid zu sehen sein.
    »… in unserer Suche nach Antworten. Nach brauchbaren
Antworten, die praktisch durchführbaren Veränderungen den
Weg weisen. Und die Regierung wird während dieser beiden vollen
Jahre die gesamte Finanzierung übernehmen. Dafür haben Sie
Präsident Combes’ Wort ebenso wie das meine.«
     
    »Ich möchte einige Garantien, Van«, sagte ich.
»Hier und jetzt, vor der Kamera.«
    Van nickte. Shana ließ sich in einem Sessel nieder und
sah erwartungsvoll drein. Cameron fuhr fort, seine nackten
Füße anzustarren. Zum erstenmal fielen mir die Muster aus
Schweißflecken und Vertiefungen im Teppich der Zelle auf: Er
hatte barfuß getanzt.
    »Und welche?« fragte Van.
    »Anonymität für Cameron«, sagte ich.
»Totale Anonymität.«
    »Die wäre ihm bereits sicher«, entgegnete er
barsch, »wenn sich dein Mädchen hier nicht eingemischt
hätte!«
    »Shanas Aufnahme in die Armee«, fuhr ich fort.
»Mit deiner persönlichen schriftlichen Garantie, daß
es zu keiner Belästigung oder besonderen Überwachung ihrer
Person kommen wird.«
    »Ja.« Er sagte es, als würde es ihm
körperliche Schmerzen bereiten.
    »Wiedereinstellung meiner Tochter Sallie beim Zentrum
für Seuchenkontrolle.«
    »Selbstverständlich. Ich sagte doch schon, daß
es ein Fehler war.«
    Mehr als das war ein Fehler. Das sagte ich nicht.
»Völlige Entscheidungsfreiheit für die
Wissenschaftskonferenz: was Einladungen betrifft, Vorgangsweisen,
TV-Übertragungen, Beschlüsse

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