In grellem Licht
Scheinwerferkegel, zog ihn
mit festem Griff zurück nach unten.
»Meine Damen und Herren, bitte hören Sie auf meine
Worte: Wir befinden uns an einem ebensolchen biologischen
Kipp-Punkt!«
Wenn Van sich zur Wehr setzte, würde Eric ihn ohne Aufsehen
von der Bühne ziehen. Zwei große, starke Männer
warteten schon darauf, ihn durch einen der Seitenausgänge zu
einem fernen Parkplatz zu geleiten. Vanderbild Grant würde dem
Rest der Pressekonferenz unter Berufung auf seine angegriffene
Gesundheit fernbleiben, und alle Anwesenden würden es verstehen;
so viele unter ihnen waren selbst alt.
Mit allem Nachdruck, den ich in meine Stimme legen konnte, sagte
ich: »Unsere Regierung hat Sie alle konsequent belogen, was die
wissenschaftlichen Forschungen auf DNA-Ebene angeht. Und was noch
schlimmer ist: sie hat verwerfliche Dinge durchgehen lassen, wirklich
verwerfliche Dinge, um jene Vorschriften zu umgehen, die sie zynisch
beschlossen und denen sie zynisch einen Lippendienst erwiesen hat, um
Wählerstimmen zu ködern.«
Hinter mir hörte ich überraschte Ausrufe in den
verschiedensten Sprachen; von den Wissenschaftlern hatte nur Eric
Kinder gewußt, was kommen würde. Unter der
Zuhörerschaft im Saal summte es aufgeregt. Ein paar Leute,
undeutliche Silhouetten, umrahmt von Strahlenkränzen aus
Scheinwerferlicht, sprangen auf – überrascht oder
ärgerlich oder begierig nach mehr. Reporter schrien ihre Fragen
heraus. Ein Mann tauchte vor der Bühne auf und versuchte
heraufzuklettern. Die Sicherheitsbeamten schleppten ihn weg.
»Illegale Gentechniklabors experimentieren seit geraumer Zeit
sowohl mit Vivifaktion als auch mit DNA-Forschungen.« Ich
mußte die Stimme erheben, um mir über dem Radau Gehör
zu verschaffen; meine Kehle schmerzte. »Für manche von uns
ist das keine Neuigkeit; neu hingegen ist, daß Spitzenbeamte
dieser Regierung – bis hinauf zu Vanderbilt Grant und vielleicht
sogar höher – wissentlich Entführungen, Folter und die
Entnahme von Organen unschuldiger Menschen geduldet haben, damit
diese Forschungen weiterlaufen konnten. Die Regierung wußte
davon und hat verhindert, daß diesen Dingen Einhalt geboten
wurde! Den Beweis dafür kann ich erbringen.«
Durcheinander schreiend drängten sich die Reporter an den
Rand der Bühne. Ich hielt die Hand hoch, einerseits um sie zu
beruhigen, andererseits weil ich nicht viel länger reden konnte.
Nur drei Sätze noch.
»Bitte… hören Sie zu.« Langsam verebbte der
Lärm. »Unsere einzige Hoffnung – die Hoffnung auf
Überleben und Gerechtigkeit – liegt darin, der Wahrheit ins
Gesicht zu blicken. Soviel aufzudecken, wie nur menschenmöglich
ist, und das, was wir aufdecken, ins grelle Licht zu zerren. Wir
würden uns vielleicht eher ein barmherziges Halbdunkel
dafür wünschen, doch das können wir uns nicht
länger leisten. Was ich Ihnen hier sage, ist eine Tatsache.
Viele Menschen kennen die Geschichte. Und hier ist eine, die
persönlich involviert war.« Geführt vom
Sicherheitschef kämpfte Shana sich zur Bühne durch.
Sehr aufrecht stand sie hinter dem Rednerpult, das lange blonde
Haar unter der militärischen Kappe verstaut. Die Lichtstrahlen
brachen sich an den Metallknöpfen ihrer Uniform. Ihre junge
Stimme klang kraftvoll und klar.
»Mein Name ist Soldatin Shana Walders von der Armee der
Vereinigten Staaten. Vor zwei Monaten wurde ich zum Zweck der
Vivifaktion entführt, aber das, was ich weiß, geht noch
weiter zurück. Sie werden meine Geschichte auch von anderen
Leuten hören, aber zuvor will ich Sie Ihnen selbst erzählen
und zwar so exakt wie möglich.«
Ich schwankte zurück zu meinem Stuhl am Ende der Reihe. Van
saß nicht mehr darauf, und Eric Kinder war auch verschwunden.
Ich hörte Shana zu, die langsam und grammatisch richtig sprach
(das Ergebnis sorgfältiger Vorbereitung), jedoch mit einer
gewissen ungehörigen Befriedigung in der Stimme. Cameron Atuli
wäre besser gewesen, weitaus glaubwürdiger, aber er wollte
nicht aussagen. Und gerade jetzt, in diesem Moment, glitt er zusammen
mit Rob unbemerkt aus dem Saal, um seine letzte Chance wahrzunehmen,
als Tänzer zu tanzen und nicht als gequältes Opfer, das
bekannt war wie ein bunter Hund. Ich hatte ihn nicht zum Sprechen
gedrängt. Er hatte schon viel zuviel verloren.
Während Shana sprach, schloß ich die Augen. Hinter der
Bühne standen die anderen bereit, um das, was sie sagte, zu
bestätigen, all die anderen älteren und nüchterneren
Zeugen, die ihrer wilden Geschichte
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