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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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hatte mich, als ich während der
Vorbereitung der Presseaussendung mit ihm sprach, auf den Umstand
hingewiesen, daß ich den Zweck der Kommission wohl nicht in
diese wohltätigen Euphemismem kleiden würde, wie Van sie so
gern benutzte. Maggie hingegen meinte, Van wollte ganz einfach nicht
das Scheinwerferlicht mit jemandem teilen. Und Sallie war der
Ansicht, er mußte die Pressekonferenz so kurz wie möglich
halten; er war schwerer krank, als die meisten Menschen dachten.
    Was auch immer seine Gründe waren, sie würden sich
gleich als berechtigt erweisen. Er hätte mich nicht reden lassen
sollen.
     
    Du willst, daß man dich nicht vergißt, sobald dein
Leib im Grabe wohnt? Schreib, was des Lesens würdig ist.
    Sonst tu, worüber schreiben lohnt.
     
    Benjamin Franklin, der Meister verschmitzter
Doppelzüngigkeit.
    Ich nahm hinter dem Rednerpult Aufstellung und wartete, bis Van
sich auf meinem Stuhl am Ende der Reihe niedergelassen hatte. Die
Scheinwerfer blendeten und raubten mir die letzte Spur jener
Gesichter, die ich ohnedies kaum hätte erkennen können.
Unter ihnen stellte ich mir jenes von Shana vor, in der zweiten
Reihe, Mitte, angespannt und bereit.
    »Ich danke Ihnen«, sagte ich. »Es ist mir
selbstverständlich eine große Ehre, den Vorsitz bei dieser
Konferenz einnehmen zu dürfen, die ich für die bislang
bedeutsamste in unserem jungen Jahrhundert halte. Der Schaden, den
die Bioakkumulation synthetischer endokriner Disruptoren angerichtet
hat, ist enorm. Im Vergleich dazu erscheinen sowohl das Manipulieren
an der DNA als auch der Sieg über Krebs und Herzkrankheiten als
bedeutungslos. Wenn wir keine Kinder haben, dann ist es wohl
belanglos, ob wir unser genetisches Erbe verändern oder unsere
Erbkrankheiten besiegen können. Ohne die Ursachen für die
Bevölkerungskrise zu entlarven und zu beseitigen, haben wir
keine Zukunft. Und ich glaube fest daran, daß diese Ursachen in
unserer wahllosen Verwendung von Plastik, Legierungen und
synthetischen Chemikalien liegen.
    Seit Generationen verlassen wir uns darauf, daß jede Welle
neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Probleme korrigieren wird,
die von der vorangegangenen Generation geschaffen wurden. Und bis zu
einem gewissen Grad ist das auch geschehen. Giftige Abfälle
wurden von giftfressenden Bakterien eliminiert. Krebsarten, die durch
Umwelteinflüse hervorgerufen werden, können durch Techniken
zur Isolierung von Tumoren geheilt werden. Die Hungersnöte der
Welt konnten durch im Labor verbessertes Saatgut in großem
Maße gelindert werden.
    Doch diesmal ist es nicht der Fall, daß die Technik jene
Probleme löst, die von der Technik geschaffen wurden. Offenbar
gab es diesmal keine profitablen Nebeneffekte, die die
Wissenschaftler ermutigt hätten, an einer Steigerung der
gefährlich sinkenden Geburtenrate – und an der Unzahl
anderer hormonell bedingter und von den endokrinen Drüsen
ausgehender Probleme, die damit Hand in Hand gehen – zu
arbeiten. Also müssen wir diesmal die Hoffnung aufgeben,
daß neue Techniken alte Konsequenzen tilgen werden. Wir werden
uns mit den grundlegenden Ursachen beschäftigen und entsprechend
handeln müssen. Das schulden wir unseren Kindern und
Kindeskindern.«
    Ich packte das Rednerpult fester und genehmigte mir eine Sekunde,
in der ich die Augen schloß. Jetzt kam es.
    Et tu, Brüte…
    »Und wir schulden unseren Kindern noch etwas: Die Zukunft, zu
deren Errettung diese Konferenz ins Leben gerufen wurde, wird nur
dann einen Wert haben, wenn sie jenen, die nach uns kommen, nicht nur
irgend ein Leben bietet, sondern ein Leben, das zu leben sich lohnt.
Vor ein paar Minuten sprach Doktor Grant über die >erste
Frage jeder Zivilisation<: Wie wird es den Kindern ergehen? Wenn
die Kinder nicht gedeihen, erinnerte uns Doktor Grant, verliert die
Gesellschaft den Mut, und dann stirbt auch ein Teil von ihr.
    >Gedeihen< jedoch heißt mehr als nur am Leben zu sein
und zu funktionieren. Um zu gedeihen, brauchen Kinder eine
Gesellschaft, die Wahrheit, Gerechtigkeit und Ehre hochhält.
Darin unterscheiden sie sich in nichts von Erwachsenen. Und nirgendwo
brauchen wir all das mehr als in unserer Regierung, weil die
Geschichte uns lehrt, daß die Gesellschaft nicht mehr lang
Bestand haben kann, sobald die Regierung einen Kipp-Punkt der
Korruption überschritten hat.«
    Ich drehte mich nicht um, aber ich wußte, was hinter mir
vorgehen mußte: Van erhob sich vom Stuhl, und Eric Kinder,
schon im gedämpften Licht am Rand der

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