In grellem Licht
Glaubwürdigkeit verleihen
würden. Aber die Geschichte war die ihre, und es war richtig,
daß sie sie zuerst erzählte.
Und sie genoß es, die kleine Hexe.
Ich dachte an Van, der wohl gerade zu seinem Wagen geführt
wurde. Er würde den Rest der Pressekonferenz auf Vid sehen
– eine elektromagnetische Bombe, die sein Leben zerstörte.
Ich dachte auch an die Tage, die kommen würden: die fieberhaft
recherchierenden Reporter, die finster dreinblickenden
Firmendirektoren, die hysterische Öffentlichkeit, das in die
Defensive gedrängte FBI, die entrüsteten Politiker, eifrig
bestrebt, das Mäntelchen in den sich drehenden Wind zu
hängen. Und die internationalen Auswirkungen: die gebrochenen
Handelsverträge, die verletzten Abkommen. Ganze
Wirtschaftssysteme, die auf dem Warenverkehr mit den Vereinigten
Staaten aufgebaut waren, würden zusammenbrechen und ihre
wankenden Regierungen mitreißen. Es würde Kriegsdrohungen
und vielleicht sogar Krieg geben. Chaos, wie Van gesagt hatte. Chaos,
das über den alten, kranken Körper dessen, der einst mein
Freund gewesen war, hereinbrach.
Besser so als über dem Körper von Kindern.
Ich hörte Shana zu und versuchte mir vorzustellen, wie sich
die Welt jetzt verändern würde, bis meine Augen einfach
nicht mehr offen bleiben wollten und ich auf meinem Stuhl am
vergessenen Ende der Bühne wegdöste.
22
SHANA WALDERS
UND CAMERON ATULI
Die Reporter mit ihren Kameras lassen mich über eine Stunde
lang nicht mit dem Reden aufhören, und ich genieße jede
Minute davon.
Mich – Shana Walders, die Lügnerin, die Diebin. Keine
hochgestochene Versammlung wird das je wieder zu mir sagen. Ich bin
eine Heldin, die mitgeholfen hat, die illegalen Labors auffliegen zu
lassen, und wenn das irgendwem entfallen sollte, dann ist er meine
Spucke nicht wert. Ich bin Soldatin Shana Walders von der Armee der
Vereinigten Staaten. »Soldatin Walders, noch eine
Frage…«
»Ich denke, Soldatin Walders hat uns nunmehr alles
gesagt«, unterbricht eine Wissenschaftlerin, die plötzlich
an meinem Ellbogen steht, und schiebt mich irgendwie zur Seite.
Automatisch gehe ich daran, ihr eine zu verpassen, aber dann
fällt mir rechtzeitig ein, daß Heldinnen sowas nicht tun,
also lächle ich und nicke und gehe mit erhobenem Kopf von der
Bühne und schaue aus den Kulissen zu. Der Sicherheitsdienst hat
dafür gesorgt, daß keine Reporter hinter die Bühne
gelangen können, also feuern sie jetzt ihre Fragen auf die
Wissenschaftlerin ab.
»Frau Doktor Futina, glauben Sie, daß die Gesetze zur
Regulierung genetischer Experimente gelockert werden sollten, um eine
offene Forschungstätigkeit zu erlauben, statt sie in den
Untergrund zu drängen, wo man sie heimlich duldet?«
»Die Problemstellung in dem angesprochenen Bereich ist
überaus komplex«, beginnt Doktor Futina, und ich blende
aus. Der gute Teil ist vorbei. Ich schaue mich nach Nick um, aber er
muß wohl gegangen sein. Sah ziemlich mitgenommen aus, gegen
Ende zu.
Ich gehe auch raus und hänge noch ein wenig vor dem
Gebäude rum, für den Fall, daß der eine oder andere
Reporter mich noch ein wenig interviewen will. Aber die sind alle
drinnen, weil sie Angst haben, irgendwas zu versäumen. Also
nehme ich mir ein Taxi und fahre zurück zum Stützpunkt.
In der Kaserne streiten Jennie Malone und Georgia Kimmel um eine
Haarbürste.
»Sie gehört mir, du Luftsack! Ich hab sie erst gestern
gekauft!«
»Ja, klar! Und du hast sie bloß gekauft, weil sie
zufällig aussah wie meine!«
»Los, gib sie schon her!«
»Ich vermach sie dir in meinem Testament!«
»He, Leute«, bemerke ich lässig, »ich war
grade eben im Fernsehen.«
»Ah ja«, schnappt Georgia höhnisch zurück,
»und ich bin ein Dreisternegeneral.«
»Ehrlich! Ihr könnt es wahrscheinlich heute Abend in den
Nachrichten sehen!«
Jennie sagt mit drohendem Unterton in der Stimme: »Ich
sag’s dir zum letztenmal, Georgia Kimmel! Zum allerletztenmal!
Gib mir meine Bürste zurück!«
»Herr im Himmel, ich habe grade die Regierung
gestürzt!« werfe ich ein.
»Na gut, Georgia, ich habe dich gewarnt!«
Jennie faßt nach Georgia, und die beginnt auf Jennie
einzudreschen. Blöde Trampel, alle beide. Ich marschiere aus der
Unterkunft.
Zwei ziemlich junge Kerle von der B-Kompanie traben vorbei. In
Zivil. »He, Soldatin! Hast du Urlaub? Komm mit in die Stadt,
wollen ein bißchen Spaß haben!«
Die beiden sehen zwar nicht schlecht aus, aber nichts von der
Sorte, was man sich auf den VidSchirm
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