In grellem Licht
legt. Vor einer Woche noch
wäre ich vielleicht mitgegangen, aber jetzt will ich nicht. Mich
vollaufen und bumsen zu lassen oder mir eine ordentliche Dosis
reinzuziehen reizt mich nicht mehr. Ich sage: »Geht nicht. Ich
war heute im Fernsehen und habe noch ein paar Kleinigkeiten zu
klären.«
»Ach? Du bist in einem Sex-Kanal?« Sie lachen genau so
idiotisch wie sie aussehen und traben weiter, damit sie den Zug
erreichen, der in die Stadt fährt.
Trübsinnig und gelangweilt treibe ich mich vor der Kaserne
herum. Vor einer Stunde war ich noch ‘ne ganz heiße Sache,
und jetzt bin ich nichts mehr. Was ist bloß los mit mir? Ich
komme nicht drauf, und ich habe keine Lust, darüber
nachzugrübeln, also mache ich mich nach einer Weile auch auf den
Weg zum Zug, aber nicht, um in der Stadt in den Bars
herumzuhängen. Jedenfalls ist es besser als hier mit diesem
Haufen Schwachsinniger zusammenzukleben, denen es scheißegal
ist, was auf der Welt vorgeht.
Keiner zu Hause bei Nick. Aber Reporter kleben an der Klingel.
Ich halte mich im Hintergrund, kaue am Daumen und überlege.
Ich könnte einfach rübergehen zu ihnen, und dann
würden sie alle mit mir reden wollen. Ich habe immer noch die
Uniform an. Ich könnte ihnen noch mal meine Geschichte aufsagen
– das sind wenigstens Leute mit soviel Grips, daß sie
wissen, wie bedeutungsvoll sie ist. Aber plötzlich will ich
nicht mehr. Ich habe alles bei der Pressekonferenz gesagt, und es
macht keinen Unterschied, wenn ich es noch mal herunterleiere. Und
jetzt wird mir klar, weshalb Nick nicht zu Hause ist. Er hat auch
keine Lust, heute noch mal mit den Reportern zu reden.
Also wird er ebensowenig bei Sallie in Atlanta sein, weil die
Reporter auch dort lauern. Genau wie bei Laurie. Und daß sie
bei Laurie sind, wird ihm sicher nicht recht sein, jetzt, wo… Wo
ist er dann?
Irgendwo an einem privaten Ort, zusammen mit der Familie.
Da muß ich nicht lange nachdenken. Als ich bei Nick wohnte,
habe ich mir alle Dateien vorgenommen. Er und Maggie besitzen eine
Blockhütte in den Blue Ridge Mountains in Virginia. Nick hat sie
in der Zeit des Kipp-Punktes gekauft, und zwar unter einem anderen
Namen. Sollte wohl eine Art sicherer Schlupfwinkel sein oder irgend
so was. Ich erinnere mich nicht an die Adresse oder auch nur an den
Ort, aber ich erinnere mich an den Namen, unter dem er sie gekauft
hat, weil der so komisch klingt: Muzio Mercy. Sollte eine
interessante Herausforderung für mich sein, die Hütte zu
finden.
Gleich fühle ich mich etwas besser.
Erst mal die öffentlich zugänglichen Dateien über
Landbesitz. Ich bin zwar kein professioneller Schnüffler, aber
ich komme für gewöhnlich mit Bibliotheken gut zurecht. Ich
könnte ein öffentliches Terminal benutzen. Aber nicht so in
Uniform. Nick aufzuspüren ist eine Art Detektivspiel, also
sollte ich nicht auffallen. Na ja, ich kann mir immer noch irgendwo
Jeans zulegen, meinen Sold hab ich bei mir. Und dann das
öffentliche Terminal…
Und diese beiden von der B-Kompanie denken, daß Saufen und
Leute anpöbeln >Spaß< ist. Was für
Kindsköpfe.
Sie sind da draußen. Ich weiß nicht, wo, aber ich
fühle sie.
Am Abend nach der Pressekonferenz tanze ich Feuervogel zu
Strawinskis rauchiger Musik. Die wilden, herrischen jetés meines Auftrittes schleudern mich so hoch nach oben, daß
ich sekundenlang zu schweben scheine, bevor ich wieder lande. Bei
meinen entrechats schnappt das Publikum nach Luft, wenn ich
senkrecht hochspringe und die Beine drei oder sogar viermal
zusammenschlage, ehe ich wieder den Boden berühre. Meine
Abgänge werden von frenetischem Applaus und stehenden Ovationen
gefolgt. Keiner da unten ahnt, daß es pure Verzweiflung ist,
die mich antreibt.
Ursprünglich eine Rolle, die von einer Frau getanzt wird, hat
Mister C. den magischen Vogel neu konzipiert: als männlich,
muskulös, rastlos, voll Energie. Außerdem hat Mister C.
das Ballett in eine anonyme moderne Stadt verlegt. Das
Bühnenbild besteht aus Holos von riesigen Wolkenkratzern,
vorbeirauschenden Maglevs und blinkenden Leuchtreklamen, die immer
dann ihr grelles Licht dämpfen und das Blinken einstellen, wenn
der Feuervogel auf der Bühne ist. Ich trage ein Kostüm, das
fast nur aus einem Holo besteht, mit einem herrlichen Gefieder in Rot
und Gold und einer Maske, die einen fremdartigen Vogel mit
menschlicher Wildheit paart. Prinz und Prinzessin sind kleine Leute
in moderner Kleidung, überstrahlt von ihrer Umgebung. Die Idee
dahinter ist, daß
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