In guten wie in toten Tagen
Krampfadern machen? Zieh die Dinger lieber aus.« Jacky selbst trug ausgelatschte Turnschuhe und zerrissene Jeans. Seit Tessi auf der Welt war, schien sie noch weniger auf ihr Äußeres zu achten als früher. Ihr dunkelblonder Pferdeschwanz wirkte jedenfalls, als hätte sie ihn seit Tagen weder gewaschen noch gekämmt.
May schüttelte den Kopf. »Wir sind ja gleich da.«
»Und deine Aufgabe für Helena?«, erinnerte sie Jacky. »Oder hast du dir nichts ausgedacht?«
»Doch.« Jetzt blieb May schwankend stehen. Die Kippe zwischen die Lippen geklemmt, öffnete sie ihre Handtasche, suchte darin herum und zog einen ziemlich großen roten Spitzentanga heraus.
»Was ist das denn?«, fragte Helena befremdet.
»Ein String«, sagte May. »Größe 44.«
»Und? Soll ich den anziehen?«
»Ganz genau. Und zwar über die Jeans. Und dann musst du einen Typen finden, der ihn dir auszieht. Gegen Bezahlung natürlich, versteht sich.«
»Ich soll einen Typen bezahlen, dass er mir dieses Ding auszieht?«
»Quatsch. Er bezahlt dafür. Ist ja wohl klar.« Issawolkla . May war kaum noch zu verstehen. Sie macht die ganze Stimmung kaputt, dachte Cara. Und hätte May am liebsten an den Schultern gepackt und weggeschubst. Geh nach Hause, lass uns in Ruhe.
»Hey, das ist mein Junggesellinnenabschied und kein Tabledance«, sagte Helena.
»Hier ist auch keiner mehr auf der Straße«, meinte Ronja. »Ich bin dafür …«
»Wir gehen in die Bierpumpe«, unterbrach sie May. »Die ist jetzt rappelvoll mit Typen, da findest du jemand.«
»Ich mach das nicht.«
»Du musst aber. Aufgabe ist Aufgabe.«
»Was willst du eigentlich von mir, May?« Helenas Stimme klang plötzlich schrill. »Du benimmst dich total daneben, merkst du das nicht?«
»Ich?«, fragte May und zeigte mit gespielter Unschuld auf die eigene Brust. »Daneben?«
»Find ich auch«, sagte Julia. »Ich würd das mit dem String nicht machen.«
»Natürlich nicht«, sagte May verächtlich, ohne Julia anzusehen. »Muttis braves Mädchen tut so was nicht. Aber Helena …«
»Ich tu’s auch nicht. Und jetzt ist Schluss«, meinte Helena.
May kniff die Augen zusammen und betrachtete Helena angestrengt, wahrscheinlich sah sie sie drei- oder viermal vor sich und wusste nicht, welche der Helenas sie fixieren sollte. Nach einer Weile stopfte sie den String zurück in die Tasche. »Okay, okay. War ja nur ein Vorschlag.«
Helena presste die Lippen zusammen. Die Stimmung ist total im Eimer, dachte Cara. Und alles nur wegen dieser besoffenen Kuh.
May verzog das Gesicht, als hätte sie den Gedanken laut ausgesprochen. Dann presste sie die Hand vor den Mund, stöckelte an Cara vorbei zu einem Jägerzaun am Straßenrand und kotzte in ein Rosenbeet.
»Ups«, meinte sie schwach, als sie fertig war. »Mann, war mir schlecht.« Sie warf einen bedauernden Blick auf die verunstalteten Rosen. »Das wird Frau Possin nicht gefallen. Hoffentlich kriegt sie nie raus, dass ich das war. Will vielleicht noch jemand? Ich meine, darauf kommt es nun auch nicht mehr an.«
»Danke, kein Bedarf«, sagte Ronja, ausgerechnet Ronja, Cara hätte fast gelacht.
»Bist du eklig, May«, meinte Jacky beeindruckt.
Als sie weitergingen, hakte sich May bei Helena unter. »Nicht mehr böse sein«, sagte sie. »Ich fand das lustig mit dem Tanga.«
»Ich nicht«, erwiderte Helena, aber sie entzog May ihren Arm nicht. Sie ist eine Heilige, dachte Cara.
Und musste an May und Tom in der Bar denken, wie May ihre Hand auf seinen Arm gelegt hatte. Womit hatte May ihn bloß so wütend gemacht, dass er sie fast geschlagen hätte?
Er steht auf kleine Nutten, über die jeder andere schon mal drübergerutscht ist, hörte Cara Mareike wieder sagen. Und fragte sich plötzlich, ob sie damit wirklich Helena gemeint hatte. Oder nicht vielmehr May.
»Ich bin echt neugierig, Jacky«, meinte Helena, als sie die Haustür aufschloss. »Aber ich sag dir eines: Ich zieh mich nicht aus und andere auch nicht. Und ich knutsch auch keinen, es sei denn, es ist Tom.«
»Auf so einen Schweinkram komm ich doch gar nicht«, sagte Jacky mit einem Seitenblick auf May. »Kennst mich doch.«
Sie holte eine kleine Dose aus der Tasche und klappte sie auf. »Voilà!«
Cara reckte den Hals und sah sieben kleine weiße Pillen.
»Was soll das denn Jacky?«, fragte Helena. »Ich nehme so was nicht.«
»Du weißt doch gar nicht, was das ist.«
»Sind das die von letzter Woche?«, fragte Viola. »Das war absolut toll.«
Die anderen musterten sie
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