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In guten wie in toten Tagen

In guten wie in toten Tagen

Titel: In guten wie in toten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Meyer
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Mittag«, raunte Julia.
    »Ich hol dich hier ab«, versprach Cara.
    »Warte!« Julia legte ihre Hand auf Caras Arm. »Wir treffen uns bei Biesenbach. Das Café an der Ecke. Okay?«
    Cara war schon bei der zweiten Tasse Kaffee, als Julia endlich auftauchte. Atemlos ließ sie sich in einen der Korbstühle fallen. »Tut mir leid, dass ich so spät komme. Aber der Chef wollte noch mit mir reden.«
    »Hoffentlich nichts Unangenehmes.«
    »Nee, nee, im Gegenteil. Aber ist jetzt nicht so wichtig. Erzähl lieber von Helena. Ist sie wirklich in U-Haft?«
    »Meinst du, ich mach Witze? Sie haben sie gestern Nachmittag festgenommen.«
    »Wegen Tom?«
    »Nee. Sie soll ein Fahrrad geklaut haben«, sagte Cara. »Ja, natürlich wegen Tom.«
    »Ich weiß gar nicht, warum du so aggressiv bist«, sagte Julia gekränkt. »Ich kann doch nichts dafür, dass Helena da reingeraten ist.«
    Wirklich nicht?, dachte Cara. Warum bist du dann so nervös? Seit Julia das Café betreten hatte, waren ihre Hände ständig in Bewegung. Sie fummelte in ihrem Gesicht herum und strich ihr Haar hinters Ohr und zupfte es wieder nach vorn und klappte ihre Handtasche auf und kramte darin herum und machte die Tasche wieder zu und strich ihr Haar hinters Ohr.
    »Willst du nichts bestellen?«, fragte Cara.
    »Nee. Ich muss auch gleich wieder zurück, mein Chef …«
    Na schön, dachte Cara. Wie du willst. Kommen wir direkt zur Sache. »Ich hab gehört, dass du nicht so gut auf Tom zu sprechen warst.«
    »Wer hat dir das erzählt?«, fragte Julia. »Aber was soll’s, ist ja auch kein Geheimnis.«
    »Warum mochtest du ihn nicht?«
    Julia zog eine Grimasse. »Nichts Schlechtes über die Toten, so heißt es doch?«
    »Komm, sparen wir uns das Drumherumgerede. Ich will mir ein Bild von ihm machen.« Und von dir auch, dachte Cara.
    »Tom Schenker hat mir die Abinote vermasselt. So kann man es wohl sagen«, sagte Julia und strich ihren Rock glatt, obwohl es da nichts glatt zu streichen gab, er sah aus wie frisch gebügelt.
    »Und wie?«
    »Ich hatte Deutsch bei ihm. Leistungskurs. Ich war vorher immer spitze in Deutsch gewesen.«
    »Du warst doch überall spitze, oder?«
    »Ja, aber Deutsch lag mir echt. Hat mir auch Spaß gemacht. Bis wir den Schenker kriegten – da ging überhaupt nichts mehr. Der hatte mich total auf dem Kieker.«
    »Wie denn?«
    »Er hat mir nur schlechte Noten gegeben. Nichts als Dreien, in einer Klausur sogar eine Vier. Ich konnte mich anstrengen, wie ich wollte, er hat mich eiskalt runtergemacht. Fand meine Analysen inkonsequent, an den Haaren herbeigezogen, konstruiert.« Julia klappte ihre Handtasche wieder auf. Diesmal holte sie ein Päckchen Kaugummi raus, wickelte einen aus und schob ihn in den Mund. »Auch einen?«
    »Nee danke. Konntest du nichts dagegen unternehmen? Ich meine, wenn die Bewertung ungerecht war, hättest du dich doch wehren können.«
    »Wie denn? Er war ja zu allem Überfluss auch noch Vertrauenslehrer. Ich bin mit meiner Mutter zum Direktor, aber der hat natürlich zu Schenker gehalten.« Sie knetete das Kaugummipapier zu einer winzigen Kugel und rollte es auf dem Tisch hin und her. »Ich war wirklich nicht schlecht, Cara. Aber Tom konnte mich von Anfang an nicht leiden. Er fand mich verklemmt und verbissen. Einmal hat ihm meine Interpretation von Goethes West-östlichem Divan nicht gepasst. ›Du bist total unsinnlich, Julia,‹ hat er zu mir gesagt, das sollte natürlich ein Witz sein, aber genau das war der Punkt. Er stand eben auf den weichen weiblichen Typ. Hübsch und hilflos. Und merkte, dass sein Charme bei mir nicht ankam. Da hat er mir gezeigt, wo der Hammer hängt.«
    »Wusste Helena das? Ich meine, was du von Tom denkst?«
    »Klar. Als wir Abitur gemacht haben, war sie ja noch nicht mit ihm zusammen. Also, jedenfalls nicht offiziell.« Julia schnaubte leise. »Ich hab den Typ echt gehasst.«
    »Nur weil er dir schlechte Noten gegeben hat?«
    »Ich wollte Medizin studieren. Und ich hätte es auch locker geschafft – mein schlechtester Durchschnitt war 1,2 –, bevor ich Schenker in Deutsch bekommen hatte.«
    »Na, wenn’s nur wegen Deutsch war – so schlecht kann dein Abizeugnis doch nicht gewesen sein.«
    »Zu schlecht für Medizin.«
    »Aber inzwischen müsstest du den NC doch locker schaffen. Nach drei Jahren Wartezeit.«
    »Cara, ich bin fertig mit meiner Ausbildung und in der Bank läuft’s echt prima. Ich fang doch jetzt nicht noch mal von vorne an. Meine Eltern würden mir was husten.«
    »Warum

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