In guten wie in toten Tagen
es aus und vorbei war. Entschuldige, Cara, dass ich dich damit belaste. Aber es muss jetzt einfach raus.«
Kotz es aus, dachte Cara und hätte fast gelacht, obwohl ihr zum Heulen zumute war.
»Warum hast du niemandem was erzählt?«, fragte sie. »Ich meine, Viola, Julia. Helena. Damals war sie doch noch gar nicht mit Tom zusammen. Oder deinen Eltern?«
»Ich hab mich geschämt. Weil ich so naiv gewesen war und gedacht habe, dass es ihm ernst mit mir ist. Und dann wollte ich auch nicht …«
Sie verstummte.
»Was wolltest du nicht?«
»Ich wollte nicht, dass er mich hasst«, sagte Ronja.
»Da hast du lieber aufgehört zu essen.«
Ronja lächelte traurig.
»Hast du das der Polizei erzählt?«, fragte Cara.
»Noch nicht. Aber die Kommissarin will morgen früh mit mir reden. Da werd ich es ihr wohl sagen.«
»Hoffentlich verhaften sie dich nicht auch gleich. Ich mein, wenn einer ein Mordmotiv hat, dann bist du das.«
»Ich war’s aber nicht«, sagte Ronja. »Ich hab ihn nie gehasst. Ich konnte ihn nicht hassen.« Sie lachte leise. »Leider.«
Wenn du es getan hättest, würdest du das jetzt auch nicht zugeben, dachte Cara.
»Vor einem halben Jahr hätte mich sein Tod noch total umgehauen. Ich wär zusammengebrochen, hätte wieder aufgehört zu essen. Oder so. Aber jetzt …«
»Jetzt? Was ist jetzt?«
»Es lässt mich kalt«, sagte Ronja. »Ich meine, es tut mir leid für Helena, und es ist natürlich schlimm, was passiert ist. Aber Toms Tod berührt mich nicht. Ich hab heute Morgen mit meinem Therapeuten telefoniert. Er meint, das ist ein gutes Zeichen. Dass die Wunden endlich verheilt sind.«
»Das glaub ich dir nicht«, sagte Cara.
»Was glaubst du nicht? Dass mich Toms Tod kaltlässt?«
»Ich glaub nicht, dass du gesund bist. Ich hab dich gehört, auf dem Klo in der Melody Bar. Wie du gekotzt hast. Es ist nicht vorbei.«
»Oh Mann.« Ronja verdrehte die Augen. »Ich wusste es.«
»Was?«
»Dass eine von euch es mitkriegt. Und dann geht das Gerede wieder los.«
»Also stimmt es?«
»Nichts stimmt. Ich hatte total viel getrunken, viel zu viel. Und mein Magen ist nicht gerade hart im Nehmen, nach allem, was ich ihm zugemutet habe.«
»Warum hast du nichts gesagt? Das ist doch nicht normal, dass man kurz mal eben kotzen geht und so tut, als wär nichts.«
»Ich bin ja auch nicht normal.« Ronja seufzte. »Wenn du dich übergibst, hast du einen verdorbenen Magen. Oder zu viel gesoffen. Wenn ich mich übergebe, ist es Bulimie. Ich kann sagen, was ich will, mir glaubt keiner. Aber ich will nicht, dass alle denken, dass ich immer noch krank bin. Es geht mir besser, verdammt noch mal. Es war ein hartes Stück Arbeit, das kannst du mir glauben. Ich mein, ich bin zweiundzwanzig und im ersten Semester, weil ich die letzten vier Jahre mehr oder weniger ununterbrochen in Therapie war.«
»Was studierst du eigentlich?«
»Sozialarbeit«, sagte Ronja. »Ich will mal in einem Jugendzentrum arbeiten. Oder in einem Frauenhaus. Hab ja so meine Erfahrungen mit fertigen Leuten.« Sie lachte leise. »Vielleicht wär alles einfacher gewesen, wenn ich ihn wirklich umgebracht hätte«, fuhr sie dann fort. »Aber nicht erst jetzt, sondern schon vor Jahren. Anstatt mich selbst kaputt zu machen.« Jetzt zog sie die Beine an die Brust und legte ihr Kinn auf die Knie. »Aber ich war’s nicht.«
»Warum hast du Helena nie von Tom und dir erzählt?«
»Ich hab ja erst vor einem halben Jahr erfahren, dass sie mit ihm zusammen ist. Und sie war so glücklich, da hab ich es einfach nicht übers Herz gebracht. Ich dachte auch, dass er sich geändert hat. Vielleicht war es falsch. Vielleicht hätte ich mit ihr reden sollen.«
»Was denkst du, was Samstagnacht passiert ist?«
»Ich glaube, dass ihn eine Frau umgebracht hat. Eine, die er verlassen hat. Eine wie ich.«
»Wer? Kennst du denn noch eine, mit der er was hatte?«
Ronja schüttelte den Kopf.
»Wer könnte was wissen?«, fragte Cara. »Ronja, bitte! Du musst mir helfen. Du musst Helena helfen!«
Ronja zögerte. Dann zuckte sie mit der Schulter. »Julia.«
»Julia? Hat er sie etwa auch …?«
»Julia doch nicht. Glaubst du, dass die sich von einem Lehrer verführen lässt? Aber sie war nie gut auf Tom zu sprechen.«
»Warum das denn?«
»Das fragst du sie am besten selbst. Versteh mich nicht falsch. Ich glaub nicht, dass sie ihn umgebracht hat. Aber vielleicht weiß sie was über seine Affären. Sie hat ihn ziemlich gefressen.«
»Meinst du, sie ist
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